Sturz der Titanen
oder?«
»Nicht, wenn ich es verhindern kann«, erwiderte Walter.
Er zog Maud hinter ein Bücherregal, sodass man sie beide nicht sofort sehen konnte, wenn jemand hereinkam, und küsste sie erneut. Maud war heute wunderbar gierig. Sie rieb seine Schultern, seine Arme und den Rücken, während sie seinen Kuss leidenschaftlich erwiderte und nur unterbrach, um zu flüstern: »Heb meinen Rock hoch.«
Walter schluckte. Davon hatte er geträumt. Er packte den Stoff und zog ihn hoch.
Maud sagte: »Und die Unterröcke …« Wieder griff Walter zu. »Nicht knittern.« Walter versuchte, den Stoff zu heben, ohne die Seide zu zerknittern, doch sie glitt ihm durch die Finger. Ungeduldig bückte Maud sich, packte Rock und Unterröcke am Saum und zog alles bis über die Hüfte hoch. »Fass mich an«, verlangte sie und schaute Walter in die Augen.
Walter hatte Angst, jemand könnte hereinkommen; zugleich waren seine Liebe und sein Verlangen viel zu groß, als dass er sich hätte zurückhalten können. Er schob die rechte Hand zwischen Mauds Beine und schnappte erschrocken nach Luft: Sie war dort nackt. Die Erkenntnis, dass sie geplant hatte, ihm dieses sinnliche Vergnügen zu bereiten, erregte ihn umso mehr. Sanft streichelte er sie, doch sie stieß ihre Hüfte gegen seine Hand, und er drückte härter zu. »Ja, so!«, keuchte sie. Walter schloss die Augen, doch Maud sagte: »Schau mich an, Liebling … schau mich an, während wir es tun …« Walter schlug die Augen wieder auf. Mauds Gesicht war gerötet, und sie atmete schwer mit geöffnetem Mund. Sie nahm seine Hand und führte sie, so wie er sie in der Opernloge geführt hatte. »Steck deinen Finger rein«, stöhnte sie und lehnte sich an seine Schulter. Walter spürte die Hitze ihres Atems durch seine Kleider, während Maud immer wieder gegen ihn stieß, bis sie tief in der Kehle ein leises Geräusch machte, das wie der gedämpfte Schrei eines Träumenden klang, bevor sie schlaff gegen ihn sank.
Walter hörte, wie die Tür sich öffnete. Dann flötete Lady Hermias Stimme: »Komm, Maud, meine Kleine. Wir müssen uns verabschieden.«
Walter zog die Hand zurück, und Maud strich rasch ihre Röcke glatt. Mit bebender Stimme sagte sie. »Ich fürchte, ich habe mich geirrt, Tante Herm. Herr von Ulrich hatte recht. Nicht die Wolga fließt durch Belgrad, sondern die Donau. Wir haben es gerade im Atlas entdeckt.«
Sie beugten sich über das Buch, als Lady Hermia um das Regal herumkam. »Die Donau. Ich habe es ja gleich gewusst«, sagte sie. »Männer haben in solchen Dingen fast immer recht, und Herr von Ulrich ist obendrein noch Diplomat. Als solcher muss er viele Dinge wissen, über die Frauen sich nicht den Kopf zu zerbrechen brauchen. Du solltest ihm nicht widersprechen, Maud.«
»Ja, da hast du wohl recht«, sagte Maud mit atemberaubender Unaufrichtigkeit.
Sie verließen die Bibliothek und gingen durch die Eingangshalle. Walter öffnete die Tür zum Salon. Lady Hermia ging als Erste hinein. Als Maud ihr folgte, blickte sie Walter tief in die Augen. Er hob die rechte Hand, steckte sich die Fingerspitze in den Mund und saugte daran.
So kann es nicht weitergehen, sagte sich Walter, als er zurück zur Botschaft ging. Er kam sich vor wie ein Pennäler. Maud war dreiundzwanzig und er achtundzwanzig, und trotzdem mussten sie auf kindische Tricks und Schliche zurückgreifen, nur um fünf Minuten alleine zu sein. Es wurde Zeit, dass sie heirateten.
Er würde Fitz um Erlaubnis bitten müssen. Mauds Vater war tot; also war ihr Bruder das Familienoberhaupt. Nur würde Fitz es ohne Zweifel vorziehen, dass Maud einen Engländer heiratete. Andererseits würde Fitz irgendwann nachgeben müssen, sonst musste er sich Sorgen machen, seine temperamentvolle Schwester nie unter die Haube zu bekommen.
Das Hauptproblem war somit sein Vater. Dieser wollte ihn mit einer tugendhaften preußischen Jungfer verheiraten, die zufrieden damit war, für den Rest ihres Lebens Erben zu gebären. Und wenn Otto von Ulrich sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, ließ er sich durch nichts davon abbringen. Widerstand gab es bei ihm nicht – eine Eigenschaft, die ihn zu einem schneidigen Offizier gemacht hatte. Ihm käme nie der Gedanke, sein Sohn könnte das Recht haben, sich seine Braut selbst auszusuchen. Natürlich hätte Walter es vorgezogen, von seinem Vater ermutigt und unterstützt zu werden. In jedem Fall freute er sich nicht über die unvermeidliche Konfrontation. Doch seine Liebe war eine viel
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