Sturz der Titanen
Worten: »Seine Majestät Kaiser Franz Joseph kann jedoch versichert sein, dass Deutschland im Einklang mit seinen Bündnisverpflichtungen und seiner alten Freundschaft treu an der Seite Österreich-Ungarns steht.«
Walter war entsetzt. »Aber das ist eine Blankovollmacht für Österreich!«, rief er. »Sie können tun, was sie wollen, wir werden sie dabei unterstützen!«
»Es gibt ein paar Rahmenbedingungen.«
»Aber nicht viele. Ist der Brief schon unterwegs?«
»Nein, aber er ist genehmigt. Morgen wird er abgeschickt.«
»Können wir das noch verhindern?«
»Nein, und ich will es auch nicht.«
»Aber damit verpflichten wir uns, Österreich in einem Krieg gegen Serbien beizustehen.«
»Das ist auch nicht schlecht.«
»Wir können aber keinen Krieg gebrauchen!«, protestierte Walter. »Wir brauchen Wissenschaft, Handel und Industrie. Deutschland muss modernisiert werden. Es muss liberaler werden und wachsen. Wir wollen Frieden und Wohlstand.« Und wir brauchen eine Welt, fügte er stumm hinzu, in der ein Mann die Frau heiraten kann, die er liebt, ohne des Verrats bezichtigt zu werden.
»Hör zu«, sagte Otto von Ulrich. »Wir haben auf beiden Seiten mächtige Feinde, Frankreich im Westen und Russland im Osten, und sie sind eng befreundet. Wir können keinen Zweifrontenkrieg führen.«
Das wusste Walter. »Deshalb haben wir ja den Schlieffen-Plan«, sagte er. »Wenn wir gezwungen werden, in den Krieg zu ziehen, marschieren wir zunächst mit einer überlegenen Streitmacht in Frankreich ein, siegen in wenigen Wochen, und wenn der Westen dann gesichert ist, wenden wir uns gen Osten.«
»Das ist unsere einzige Hoffnung«, sagte Otto. »Aber als der Plan vor neun Jahren von der Heeresleitung angenommen wurde, hat unser Nachrichtendienst erklärt, die Russen bräuchten vierzig Tage für eine Mobilmachung. Damit hätten wir gut sechs Wochen gehabt, um Frankreich in die Knie zu zwingen. Seitdem aber haben die Russen ihr Eisenbahnnetz ausgebaut – mit Geld, das sie sich von Frankreich geliehen haben!« Otto schlug mit der Faust auf den Tisch. »Je schneller die Russen mobilmachen können, desto riskanter wird der Schlieffen-Plan, und das bedeutet«, mit dramatischer Geste richtete er den Finger auf Walter, »je schneller dieser Krieg kommt, desto besser für Deutschland!«
»Nein!« Warum begriff der alte Herr nicht, wie gefährlich ein solches Denken war? »Es bedeutet, dass wir für kleine Streitigkeiten friedliche Lösungen suchen müssen.«
»Friedliche Lösungen?« Otto schüttelte den Kopf. »Du bist jung und idealistisch. Du glaubst, auf jede Frage gibt es eine Antwort.«
»Du willst wirklich einen Krieg«, sagte Walter ungläubig. »Du willst ihn tatsächlich.«
»Niemand will einen Krieg«, widersprach Otto. »Aber manchmal ist er besser als die Alternative.«
Maud hatte von ihrem Vater ein Almosen geerbt: dreihundert Pfund im Jahr, was gerade ausreichte, um sich für die Saison einzukleiden. Fitz hingegen hatte den Titel bekommen, die Ländereien, die Häuser und fast das ganze Geld. So war es in England nun mal üblich. Aber das war es nicht, was Maud so ärgerte. Geld bedeutete ihr wenig; im Grunde brauchte sie nicht einmal die dreihundert Pfund. Fitz zahlte für alles, was sie begehrte; nach seiner Auffassung durfte ein Gentleman nicht knauserig sein.
Was Maud wirklich ärgerte, war, dass sie keine richtige Bildung genossen hatte. Sie war siebzehn gewesen, als sie verkündet hatte, an die Universität gehen zu wollen – woraufhin sie ausgelacht worden war. Wie sich herausstellte, musste man von einer erstklassigen Schule kommen und Prüfungen ablegen, bevor man an einer Universität zugelassen wurde. Doch Maud war nie auf einer Schule gewesen, und wenngleich sie mit den Mächtigen des Landes über Politik diskutieren konnte, hatten ihre Gouvernanten und Privatlehrer sie nie auf irgendeine Art von Prüfung vorbereitet. Tagelang hatte sie geweint und getobt. Selbst heute noch wurde sie übellaunig, wenn sie daran zurückdachte. Letztendlich hatte der Mangel an Bildung Maud zur Suffragette werden lassen. Sie kannte Mädchen, die nie eine ordentliche Ausbildung bekommen würden, solange man den Frauen das Wahlrecht vorenthielt.
Auch der Ehe hatte Maud lange Zeit skeptisch gegenübergestanden. Verpflichten Frauen sich mit der Heirat nicht vertraglich zu einem Leben in Sklaverei, hatte sie sich gefragt. Und was erhalten sie dafür als Gegenleistung? Zumindest auf die zweite Frage kannte Maud nun
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