Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
bemerkte, dass sie erloschen war, und ließ sie mit einem verärgerten Laut zu Boden fallen.
    Ethel kam ein hoffnungsvoller Gedanke. »Vielleicht bekommst du zwei Erben.«
    »Red keinen Unsinn«, entgegnete er schroff. »Ein Bastard kann nicht erben.«
    »Oh«, sagte sie. »Mein Baby ist ein Bastard?«
    Er blickte sie schuldbewusst an. »Tut mir leid«, sagte er. »Ich habe es nicht so gemeint.«
    Ethel fühlte sich schrecklich verletzt. Warum sorgte er sich nicht um sie, nur um seine Frau? Bea würde es gut gehen: Sie war reich und verheiratet, und sie trug den geliebten, ehelichen Stammhalter des Fitzherbert-Clans unter dem Herzen.
    »Gott behüte, dass Bea davon erfährt«, sagte er. »Ich glaube, der Schock wäre zu viel für sie.«
    Ethel erinnerte sich an das Gerücht, Bea hätte im vergangenen Jahr eine Fehlgeburt erlitten. Das ganze Dienstbotenzimmer hatte von nichts anderem gesprochen. Wenn man Nina glauben durfte, der russischen Zofe, gab Bea die Schuld an der Fehlgeburt Fitz, weil er eine geplante Reise nach Russland abgesagt hatte.
    »Also machst du dir vor allem Sorgen, die Nachricht von unserem Kind könnte deine Frau aufregen«, sagte Ethel mit Tränen in den Augen.
    Er starrte sie an. »Ich möchte nicht, dass sie eine Fehlgeburt erleidet.«
    Ihm schien gar nicht klar zu sein, wie herzlos er war.
    »Zum Teufel mit dir!«, rief Ethel.
    »Was erwartest du eigentlich von mir? Beas Kind könnte der Sohn sein, auf den ich gehofft habe, um den ich gebetet habe. Dein Kind ist weder von dir gewünscht noch von mir oder von sonst jemandem.«
    »So siehst du das?«, sagte sie leise und brach wieder in Tränen aus.
    »Ich muss darüber nachdenken«, sagte er. »Ich muss allein sein.« Er nahm sie bei den Schultern. »Wir sprechen morgen wieder. Bis dahin sag keinem etwas. Hast du verstanden?«
    Sie nickte.
    »Versprich es mir.«
    »Ich versprech’s.«
    »Braves Mädchen«, sagte er und verließ den Raum.
    Ethel bückte sich und hob die kalte Zigarre auf.

    Sie sagte es niemandem, aber sie konnte auch nicht so tun, als wäre alles wie immer; deshalb schützte sie Übelkeit vor und ging zu Bett. Während sie allein dort lag, Stunde um Stunde, wich die Traurigkeit langsam der Sorge. Wovon sollten sie und ihr Kind leben?
    Ihre Stelle auf Ty Gwyn würde sie verlieren. Das wäre selbst dann unabwendbar, wäre sie nicht vom Earl schwanger gewesen. Allein das schmerzte Ethel. Sie war so stolz gewesen, als man sie zur Haushälterin befördert hatte. Gramper sagte gerne und oft, Hochmut komme vor dem Fall. Er hatte recht behalten.
    Ethel war nicht sicher, ob sie ins Haus ihrer Eltern zurückkehren konnte. Die Schande für die Familie würde ihren Vater ins Grab bringen – ein Gedanke, der Ethel fast so sehr beschäftigte wie ihre eigene Schande. In mancher Hinsicht würde es Dah noch mehr treffen als sie selbst. In solchen Dingen war er altmodisch und streng.
    Aber Ethel wollte sowieso nicht als unverheiratete Mutter in Aberowen leben. Es gab schon zwei solche Frauen in der Stadt: Maisie Owen und Gladys Pritchard, traurige Gestalten ohne einen Platz in der Gemeinschaft. Sie waren alleinstehend, aber kein Mann interessierte sich für sie; sie waren Mütter, wohnten aber bei den Eltern, als wären sie noch Kinder; sie waren in keiner Kirche, keiner Kneipe, keinem Laden und keinem Verein willkommen.
    Wie konnte sie, Ethel Williams, die immer geglaubt hatte, es weiter zu bringen als die anderen, auf die niedrigste Stufe überhaupt sinken?
    Sie musste Aberowen verlassen. Sie war nicht einmal traurig darüber. Im Gegenteil, sie wäre froh, den düsteren Häuserreihen, den tristen kleinen Kapellen und den endlosen Streitigkeiten zwischen Bergarbeitern und Grubendirektion den Rücken zu kehren. Aber wohin sollte sie gehen? Und könnte sie ihren Teddy wiedersehen?
    Als die Dunkelheit hereinbrach, lag Ethel noch immer wach und schaute durch das Fenster auf die Sterne. Endlich fasste sie einen Plan. Sie würde woanders ein neues Leben beginnen. Sie würde einen Ehering tragen und erzählen, ihr Mann sei verstorben. Sie würde jemanden suchen, der sich um das Kind kümmerte. Sie würde Arbeit finden und Geld verdienen. Sie würde ihr Kind auf die Schule schicken. Sie würde ein Mädchen bekommen, das spürte sie, und dieses Mädchen würde klug sein, würde Schriftstellerin werden oder Ärztin, oder vielleicht eine Vorkämpferin für die Rechte der Frauen wie Mrs. Pankhurst, die sich vor dem Buckingham Palace hatte verhaften

Weitere Kostenlose Bücher