Sturz der Titanen
sie kannte die Schnitzereien, zum Beispiel die Füße, die wie Löwenklauen geformt waren, die einen Ball umklammerten. Und sie wusste, dass jeder Raum in einem bestimmten Stil eingerichtet war: Barock, Neoklassizismus, Gotik.
Diese Welt würde ihr nun für immer verschlossen bleiben.
Nach einer Stunde machte Ethel sich auf den Weg zur Bibliothek. Die Bücher waren von Fitz’ Ahnen gesammelt worden. Heute wurde der Raum kaum noch genutzt. Bea las nur französische Romane, Fitz las überhaupt nicht. Manchmal kamen Hausgäste der Ruhe wegen hierher, oder um das elfenbeinerne Schachspiel zu benutzen, das auf dem Tisch stand. An diesem Morgen waren die Jalousien halb geschlossen; Ethel hatte dies veranlasst, damit der Raum vor der Julisonne geschützt wurde und kühl blieb. Deshalb lag die Bibliothek nun im Halbdunkel.
Fitz saß auf einem grünen Ledersessel. Zu Ethels Erstaunen war auch Albert Solman zugegen, der Anwalt. Er trug einen schwarzen Anzug und ein Hemd mit steifem Kragen. Solman war Fitz’ Generalbevollmächtigter: Er verwaltete das Vermögen, prüfte die Einkünfte aus Kohlekonzessionen und Pachten, beglich ausstehende Rechnungen, veranlasste die Lohnzahlungen an das Personal und kümmerte sich um Verträge jeder Art. Gelegentlich strengte er auch Klagen gegen Personen an, die Fitz zu betrügen versuchten. Ethel mochte diesen Mann nicht. Sie hielt ihn für einen Neunmalklugen. Vielleicht waren alle Anwälte so; sie wusste es nicht: Solman war der einzige, den sie je kennengelernt hatte.
Fitz erhob sich. Er wirkte verlegen. »Ich habe Mr. Solman ins Vertrauen gezogen.«
»Wieso?«, fragte Ethel. Sie hatte ihm versprechen müssen, niemandem von der Sache zu erzählen; deshalb kam es ihr wie ein Verrat vor, dass Fitz es seinem Anwalt anvertraut hatte.
Fitz schien sich tatsächlich zu schämen – ein seltener Anblick. »Solman wird dir sagen, was ich vorschlage.«
»Wieso?«, fragte Ethel noch einmal.
Fitz schaute sie flehend an, als wollte er ihr sagen: Bitte, mach es nicht noch schlimmer für mich.
Doch Ethel hatte kein Mitleid. Das alles war für sie nicht leicht, wieso sollte es ihm da besser ergehen? »Worum geht es denn?«, fragte sie herausfordernd. »Was traust du dich nicht, mir zu sagen?«
Fitz’ an Überheblichkeit grenzendes Selbstbewusstsein war völlig von ihm abgefallen. »Ich überlasse es dem Anwalt, es dir zu erläutern«, sagte er und verließ zu Ethels Erstaunen die Bibliothek.
Als die Tür sich hinter Fitz geschlossen hatte, starrte sie Solman an und fragte sich: Wie kann ich mit einem Fremden über die Zukunft meines Kindes sprechen?
Solman lächelte sie an. »Offenbar sind Sie vom Pfad der Tugend abgekommen.«
Ethel war verletzt. »Haben Sie das auch zum Earl gesagt?«
»Natürlich nicht.«
»Warum nicht? Wenn es für mich gilt, was Sie sagen, dann gilt es auch für ihn. Es braucht zwei, um ein Kind zu machen.«
»Schon gut, wir brauchen nicht darauf einzugehen.«
»Dann tun Sie nicht so, als wäre ich allein es gewesen.«
»Wie Sie wünschen.«
Ethel setzte sich; dann schaute sie Solman wieder an. »Sie dürfen Platz nehmen, wenn Sie möchten«, sagte sie, als wäre sie die Dame des Hauses, die sich dem Butler gegenüber zu einer Freundlichkeit herabließ.
Solman errötete. Er wusste nicht, ob er sich setzen sollte, weil dies den Eindruck erwecken würde, als hätte er tatsächlich auf Ethels Erlaubnis gewartet; doch wenn er stehen blieb, erschien er wie ein Diener. Schließlich beschloss er, im Zimmer auf und ab zu schreiten. »Seine Lordschaft hat mich angewiesen, Ihnen ein Angebot zu unterbreiten«, sagte er. Das Auf- und Abgehen behagte ihm auch nicht; er gab es auf und blieb vor Ethel stehen. »Das Angebot ist großzügig. Ich rate Ihnen, nehmen Sie es an.«
Ethel sagte nichts. Schließlich wurde hier verhandelt, und damit kannte sie sich aus: Ihr Vater verhandelte ständig mit der Grubendirektion und versuchte, höhere Löhne, kürzere Schichten und bessere Schutzmaßnahmen zu erkämpfen. Einer seiner Grundsätze lautete: »Sprich nie, ehe du musst.« Also schwieg Ethel.
Solman blickte sie erwartungsvoll an. Als ihm klar wurde, dass sie nichts entgegnen würde, wirkte er verstimmt. »Seine Lordschaft ist bereit, Ihnen eine Pension von vierundzwanzig Pfund im Jahr zu bewilligen, zahlbar monatlich im Voraus«, fuhr er fort. »Ich finde, das ist sehr nett von ihm. Sind Sie nicht auch der Meinung?«
So ein lausiger Geizhals, dachte Ethel. Wie kann er so gemein
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