Sturz der Titanen
kaum glauben. »Wirklich?«
Sie lachte glücklich. »Wirklich.«
Er nahm ihre Hand. »Liebst du mich?«
Sie nickte.
»Du musst es sagen.«
»Ja, Gus, ich liebe dich.«
Er küsste ihre Hand. »Ich werde mit deinem Vater reden, bevor ich nach Washington gehe.«
Olga lächelte. »Ich weiß, was er sagen wird.«
»Danach könnten wir es bekannt geben.«
»Ja.«
»Oh, danke!«, sagte Gus leidenschaftlich. »Du hast mich sehr glücklich gemacht.«
Am nächsten Morgen schaute Gus in Joseph Vyalovs Büro vorbei und bat ihn förmlich um die Hand seiner Tochter. Vyalov zeigte sich hocherfreut. Obwohl Gus mit dieser Antwort gerechnet hatte, war er anschließend dennoch erleichtert.
Gus war auf dem Weg zum Bahnhof, um nach Washington zu fahren; deshalb einigten sie sich darauf, das Ereignis zu feiern, sobald er zurück war. In der Zwischenzeit würde er Olga ihrer und seiner Mutter überlassen, damit sie die Hochzeit planen konnten.
Als Gus leichten Schrittes die Central Station an der Exchange Street betrat, lief Rosa Hellman ihm über den Weg. Sie trug einen roten Hut und eine kleine Reisetasche. »Hallo«, sagte Gus. »Darf ich Ihnen mit Ihrem Gepäck behilflich sein?«
»Nein, danke. Es ist nicht schwer. Ich war nur einen Tag fort. Ich hatte ein Bewerbungsgespräch bei einer Nachrichtenagentur.«
Gus hob die Augenbrauen. »Ging es um einen Job als Reporterin?«
»Ja. Und ich habe ihn bekommen.«
»Ich gratuliere! Verzeihen Sie, wenn ich überrascht klinge … Ich dachte nur, dort würde man keine weiblichen Schreiber einstellen.«
»Es ist zwar ungewöhnlich, aber nicht einmalig. Die New York Times hat schon 1869 ihre erste Reporterin eingestellt. Sie hieß Maria Morgan.«
»Was genau werden Sie tun?«
»Ich arbeite als Assistentin des Korrespondenten in Washington. Das Liebesleben des Präsidenten hat mich zu der Überzeugung gebracht, dass man eine Frau dort gut gebrauchen kann. Männer übersehen gerne romantische Geschichten.«
Gus fragte sich, ob Rosa erwähnt hatte, dass sie mit einem von Wilsons engsten Beratern bekannt war. Er vermutete es: Reporter waren niemals scheu. Zweifellos hatte ihr das geholfen, den Job zu bekommen. »Ich bin gerade auf dem Weg zurück nach Washington«, sagte Gus. »Ich nehme an, wir werden uns dort jetzt öfter sehen.«
»Ich hoffe es.«
»Übrigens, ich habe ebenfalls gute Neuigkeiten«, sagte Gus glücklich. »Ich habe Olga Vyalov einen Heiratsantrag gemacht, und sie hat ihn angenommen. Wir werden heiraten.«
Rosa schaute ihn lange an. Dann sagte sie: »Sie Narr.«
Gus hätte schockierter nicht sein können. Offenen Mundes starrte er sie an.
»Sie verdammter Narr«, sagte Rosa und ging davon.
Am 19. August starben zwei weitere Amerikaner, als ein deutsches U ‑Boot ein britisches Passagierschiff versenkte, die Arabic .
Gus taten die Opfer leid, aber vor allem entsetzte ihn, wie die USA unaufhaltsam in den europäischen Konflikt hineingezogen wurden. Gus hatte das Gefühl, der Präsident stehe kurz davor, den Krieg zu erklären. Gus wollte in einer Welt des Friedens und des Glücks heiraten; stattdessen fürchtete er nun die Grausamkeiten und Zerstörungen des Krieges.
Auf Wilsons Anweisung steckte Gus ein paar ausgewählten Reportern, der Präsident stehe kurz davor, die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abzubrechen. Gleichzeitig versuchte der neue Außenminister, Robert Lansing, einen Deal mit dem deutschen Botschafter auszuhandeln, Graf Johann von Bernstorff. Aber das konnte schrecklich schiefgehen. Möglicherweise durchschauten die Deutschen Wilsons Bluff und widersetzten sich ihm. Was würde der Präsident dann tun? Unternahm er nichts, würde er dumm dastehen. Wilson sagte Gus, ein Abbruch der diplomatischen Beziehungen müsse nicht zwangsläufig zu einem Krieg führen. Dennoch hatte Gus das schreckliche Gefühl, dass die Krise rasch außer Kontrolle geriet.
Aber der deutsche Kaiser wollte keinen Krieg mit Amerika, und zu Gus’ Erleichterung hatte Wilsons Spiel Erfolg. Ende August versprachen die Deutschen, keine Passagierschiffe mehr ohne Vorwarnung anzugreifen. Das war zwar nicht rundum zufriedenstellend, beendete aber die Pattsituation.
Die amerikanischen Zeitungen zeigten sich enthusiastisch. Am 2. September las Gus dem Präsidenten triumphierend einen Absatz aus einer Lobeshymne vor, die an diesem Tag in der New Yorker Evening Post erschienen war. »Ohne ein einziges Regiment zu mobilisieren oder eine Flotte zusammenzustellen, sondern
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