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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Ergebenheit ihr und ihrem Sohn gegenüber.
    Vielleicht, ging es ihr durch den Kopf, wirst du doch noch eine glückliche Frau.

    Die Röcke der Damen hatten sich verändert, bemerkte Gus Dewar. Sie zeigten nun Knöchel. Vor zehn Jahren hätte man einen Blick auf die Fußknöchel noch als anstößig empfunden; heute war es normal. Vielleicht bedeckten Frauen ihre Nacktheit ja nur, um sich verführerischer zu machen, nicht sittsamer.
    Rosa Hellman trug einen dunkelroten Mantel, der von der Taille abwärts modisch in Falten fiel. Er war mit schwarzem Pelz besetzt, was in Washington, zumal im Februar, vermutlich recht angenehm war. Ihr grauer Hut war klein und rund, mit rotem Hutband und einer Feder. Nicht sehr praktisch, aber seit wann konnte man das von den Hüten amerikanischer Frauen behaupten?
    »Die Einladung ehrt mich«, sagte Rosa, und Gus war sich nicht ganz sicher, ob sie sich über ihn lustig machte. »Sie sind gerade erst aus Europa zurückgekommen, nicht wahr?«
    Sie aßen im Speisesaal des Willards Hotel zu Mittag, zwei Querstraßen östlich des Weißen Hauses. Gus hatte Rosa aus einem bestimmten Grund eingeladen. »Ich habe eine Story für Sie«, sagte er, kaum dass sie bestellt hatten.
    »Nein, wirklich? Lassen Sie mich raten. Der Präsident wird sich von Edith scheiden lassen und Mary Peck heiraten.«
    Gus runzelte die Stirn. Während seiner ersten Ehe hatte Präsident Wilson ein bisschen mit Mary Peck geflirtet. Gus hatte seine Zweifel, dass sie wirklich Ehebruch begangen hatten, doch Wilson war dumm genug gewesen, Mrs. Peck Briefe zu schreiben, in denen er ein wenig mehr Zuneigung zum Ausdruck gebracht hatte, als sittsam war. Das war in Washington allgemein bekannt, doch es war nie etwas darüber gedruckt worden.
    »Ich rede hier von etwas Ernstem«, erklärte Gus in strengem Tonfall.
    »Oh, tut mir leid«, sagte Rosa und setzte ein derart übertrieben ernstes Gesicht auf, dass Gus am liebsten laut gelacht hätte.
    »Ich stelle nur eine Bedingung«, sagte er. »Sie dürfen niemandem verraten, dass Sie diese Information direkt aus dem Weißen Haus bekommen haben.«
    »In Ordnung.«
    »Ich werde Ihnen ein Telegramm des deutschen Außenministers Arthur Zimmermann an den deutschen Gesandten in Mexiko zeigen.«
    Erstaunt riss Rosa die Augen auf. »Wo haben Sie das her?«
    »Von Western Union«, log Gus.
    »Ist es nicht verschlüsselt?«
    »Codes können geknackt werden.« Gus reichte ihr eine maschinengeschriebene Kopie der vollständigen englischen Übersetzung.
    »Ist das vertraulich?«, fragte Rosa.
    »Nein. Aber behalten Sie bitte für sich, woher Sie es haben.«
    »Okay.« Sie las. Es dauerte nicht lange, und ihr stand der Mund offen. »Gus«, sagte sie und hob den Blick, »ist das echt?«
    »Haben Sie mich je als Scherzbold kennengelernt?«
    Rosa las weiter. »Die Deutschen wollen die Mexikaner dafür bezahlen, dass sie in Texas einfallen?«
    »Das sagt zumindest Herr Zimmermann.«
    »Das ist keine Story, Gus, das ist die Schlagzeile des Jahrhunderts!«
    Gus gestattete sich ein leichtes Lächeln und versuchte, nicht so triumphierend dreinzublicken, wie ihm zumute war. »Ich habe mir schon gedacht, dass Sie so etwas sagen.«
    »Handeln Sie aus Eigeninitiative oder auf Anweisung des Präsidenten?«
    »Glauben Sie, ich würde so etwas ohne Zustimmung von ganz oben tun?«
    »Wahrscheinlich nicht. Mann! Das kommt also von Präsident Wilson direkt zu mir …«
    »Inoffiziell.«
    »Aber woher soll ich wissen, dass es echt ist? Allein auf der Grundlage eines Fetzens Papier und Ihres Wortes kann ich keine Story schreiben.«
    Gus hatte mit diesem Einwand gerechnet. »Außenminister Lansing wird Ihrem Chef die Authentizität persönlich bestätigen – vorausgesetzt, das Gespräch bleibt vertraulich.«
    »Das genügt mir.« Rosa schaute noch einmal auf das Papier. »Meine Güte, das ändert alles. Können Sie sich vorstellen, was das amerikanische Volk sagen wird, wenn das publik wird?«
    »Ich glaube, das amerikanische Volk wird ein bisschen mehr dazu neigen, gegen Deutschland in den Krieg zu ziehen.«
    »Dazu neigen? «, erwiderte Rosa. »Die Leute werden Schaum vor dem Mund haben! Wilson wird den Krieg erklären müssen .«
    Gus schwieg.
    Rosa schaute ihn an und versuchte, sein Schweigen zu deuten. »Oh, ich verstehe. Deshalb geben Sie das Telegramm frei. Der Präsident will Deutschland den Krieg erklären.«
    Sie hatte vollkommen recht. Gus lächelte. Er genoss dieses kleine Spiel mit einer klugen Frau. »Das

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