Sturz der Titanen
Frauen.
Fitz fand Gus in ein Gespräch mit einem Londoner mit gebrochener Nase vertieft. Sie diskutierten über den amerikanischen Boxer Jack Johnson, den ersten schwarzen Schwergewichtsweltmeister, dessen Heirat mit einer weißen Frau zu Lynchaufrufen vonseiten konservativer christlicher Prediger geführt hatte. Der Londoner hatte Gus verärgert, indem er den Mordaufruf gegen Johnson gutgeheißen hatte.
Fitz hegte die geheime Hoffnung, dass Gus sich in Maud verlieben könnte. Sie passten gut zusammen. Beide waren Intellektuelle, beide waren liberal, beide nahmen alles Mögliche furchtbar ernst, und beide steckten ihre Nasen ständig in Bücher. Die Dewars entstammten einem kleinen gesellschaftlichen Kreis, den man in den USA als »Altes Geld« bezeichnete und der einer amerikanischen Aristokratie am nächsten kam.
Darüber hinaus waren Gus und Maud Fürsprecher des Friedens. Maud war stets leidenschaftlich für die Beendigung des Krieges eingetreten, ohne dass Fitz sagen konnte, was eigentlich der Grund dafür war. Und Gus vergötterte seinen Mr. President Woodrow Wilson, der erst vor einem Monat für einen »Frieden ohne Sieg« eingetreten war – eine Formulierung, die nicht nur Fitz, sondern auch den größten Teil der britischen und französischen Führung auf die Palme gebracht hatte.
Doch die vielen Übereinstimmungen zwischen Gus und Maud, die Fitz bemerkt hatte, schienen zu nichts zu führen. Fitz hatte seine Schwester von Herzen gern, fragte sich aber, ob mit ihr etwas nicht stimmte. Wollte sie als alte Jungfer sterben?
Fitz eiste Gus von dem Mann mit der gebrochenen Nase los und stellte ihm die Frage nach Mexiko.
»Eine einzige Katastrophe«, sagte Gus. »Wilson hat General Pershing und seine Truppen zurückgezogen. Es ist ein Versuch, Präsident Carranza zu beschwichtigen. Aber es hat nicht geklappt. Carranza will nicht einmal darüber reden, wie die Grenze gesichert werden soll. Weshalb fragen Sie?«
»Das verrate ich Ihnen später«, erwiderte Fitz. »Der nächste Kampf beginnt.«
Während sie zuschauten, wie ein Boxer namens Benny the Yid einem gewissen Bald Albert Collins den Rest an Verstand aus dem Hirn prügelte, beschloss Fitz, das Thema des deutschen Friedensangebotes gänzlich außen vor zu lassen. Er wusste, dass Gus untröstlich war über das Scheitern der Wilson’schen Friedensinitiative. Der Amerikaner zermarterte sich das Hirn, ob er die Angelegenheit klüger hätte handhaben können oder ob er irgendetwas hätte unternehmen können, um den Plan seines Präsidenten voranzutreiben – einen Plan, den Fitz von vornherein als zum Scheitern verurteilt angesehen hatte, weil keine Seite wirklich einen Frieden wollte.
In der dritten Runde ging Bald Albert zu Boden und blieb dort.
»Sie haben mich gerade noch rechtzeitig erwischt«, sagte Gus. »Ich bin fast schon auf dem Weg in die Heimat.«
»Freuen Sie sich auf die Vereinigten Staaten?«
»Wenn ich jemals dort ankomme. Ich könnte unterwegs von einem U -Boot versenkt werden.«
Genau wie in der abgefangenen Zimmermann-Depesche angekündigt, hatte Deutschland den uneingeschränkten U -Boot-Krieg am 1. Februar wieder aufgenommen. Die USA waren verstimmt darüber, aber nicht so sehr, wie Fitz es sich erhofft hatte. »Präsident Wilsons Reaktion auf die U -Boot-Geschichte ist erstaunlich mild«, sagte er.
»Er hat die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abgebrochen. Das würde ich nicht gerade als mild bezeichnen.«
»Aber den Krieg erklärt hat er nicht«, sagte Fitz verbittert. Maud, Ethel und ihre Pazifistenfreunde hatten vollkommen richtiggelegen mit ihrer Einschätzung, dass es in absehbarer Zukunft keine Hoffnung auf einen Sieg gab, jedenfalls nicht ohne fremde Hilfe. Fitz war sicher gewesen, der deutsche U -Boot-Terror würde zum Kriegseintritt der USA führen, doch bisher war er ausgeblieben.
»Offen gestanden«, erwiderte Gus, »ich glaube, dass Präsident Wilson jetzt bereit wäre, Deutschland den Krieg zu erklären, zumal er alle Mittel ausgeschöpft hat. Aber er wurde vor allem deshalb wiedergewählt, weil er der Mann ist, der die USA aus dem Krieg herausgehalten hat. Umschwenken kann er nur, wenn er von einer Woge öffentlicher Begeisterung in den Krieg getragen wird.«
»Nun, ich habe da etwas, das ihm helfen könnte«, sagte Fitz.
Gus zog eine Braue hoch.
»Seit meiner Verwundung gehöre ich einer Einheit an, die abgefangene deutsche Funksprüche entschlüsselt.« Fitz zog ein Blatt Papier, das mit seiner
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