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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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sagte: »Ich werde den britischen Botschafter bitten, sich zu erkundigen.« Ein Earl hatte auch im Zeitalter der Demokratie noch gewisse Vorrechte.
    »Wir bringen dich auf dein Zimmer, Bea«, sagte Maud.
    Bea nickte und erhob sich.
    »Ich gehe trotzdem zu Lord Silvermans Abendgesellschaft«, sagte Fitz. »Bonar Law wird dort sein.« Fitz hatte das Ziel, eines Tages Minister in einer konservativen Regierung zu werden, und er war dankbar für jede Gelegenheit, mit dem Parteiführer zu sprechen. »Aber den Ball lasse ich aus und komme auf direktem Weg nach Hause.«
    Bea nickte und gestattete, dass sie nach oben gebracht wurde.
    Grout kam ins Zimmer. »Der Wagen steht bereit, Mylord.«
    Auf der kurzen Fahrt zum Belgrave Square brütete Fitz über den Neuigkeiten. Fürst Andrej hatte es nie verstanden, die Ländereien der Familie zu verwalten. Wahrscheinlich würde er nun seine Verkrüppelung als Entschuldigung anführen, dass er sich noch weniger als zuvor um das Geschäftliche kümmerte. Der Besitz würde noch mehr herunterkommen. Doch von London aus, fünfzehnhundert Meilen entfernt, konnte Fitz nichts dagegen unternehmen – ein ärgerlicher und zugleich besorgniserregender Gedanke. Überall lauerte die Anarchie hinter der nächsten Ecke, und die Nachlässigkeit von Adligen wie Andrej war die große Chance der Revolutionäre.
    Als Fitz das Haus Silvermans erreichte, war Andrew Bonar Law bereits anwesend, wie auch Perceval Jones, der Parlamentsabgeordnete für Aberowen und Generaldirektor von Celtic Minerals. Jones war ein arroganter Laffe, doch heute Abend platzte er schier vor Stolz, sich in einer solch erlesenen Gesellschaft zu bewegen. Er sprach mit Lord Silverman, ohne die Hände aus den Taschen zu nehmen, während sich eine massige goldene Uhrkette über seine pralle Weste spannte.
    Fitz hätte es nicht überraschen sollen: Das Dinner war politischer Natur, und Jones war ein aufsteigender Stern in der Konservativen Partei. Zweifellos hoffte auch er, Minister zu werden, falls Bonar Law das Amt des Premiers erhielt. Gleichzeitig aber war es ein wenig so, als würde man beim Jagdball seinen Stallmeister treffen, und Fitz hatte das ungute Gefühl, der Bolschewismus könnte London in die Klauen bekommen – allerdings nicht durch Revolution, sondern klammheimlich.
    Bei Tisch erklärte Jones zu Fitz’ Entsetzen, er sei für das Frauenwahlrecht.
    »Warum denn das?«, fragte Fitz.
    »Wir haben in den Wahlkreisen eine Umfrage durchgeführt«, erwiderte Jones, und Fitz sah, dass Bonar Law nickte. »Man ist mit zwei zu eins für den Vorschlag.«
    »Als Konservative?«, fragte Fitz ungläubig.
    »Ganz recht, Mylord.«
    »Aber wieso?«
    »Das Gesetz würde das Stimmrecht nur Frauen über dreißig gewähren, wenn sie Hausbesitzerin sind oder die Ehefrau eines Hausbesitzers. Der größte Teil der Fabrikarbeiterinnen, die ohnehin meist zu jung sind, wären ausgeschlossen, genau wie diese grauenhaften weiblichen Intellektuellen und die unverheirateten Frauen, die im Haus eines anderen wohnen.«
    Fitz war bestürzt. Er hatte es immer für eine Frage des Prinzips gehalten, dass das Wahlrecht den Männern vorbehalten blieb. Doch für einen Emporkömmling und neureichen Geschäftemacher wie Jones spielten Prinzipien keine Rolle. Fitz hatte noch nie über die Folgen nachgedacht, die das Gesetz auf die Zusammensetzung der Wählerschaft hätte. »Ich sehe immer noch nicht …«
    »Die meisten neuen Wählerinnen wären reife Mütter aus Familien der Mittelschicht.« In vulgärer Manier tippte Jones sich an die Nase. »Das ist die konservativste Bevölkerungsgruppe im ganzen Land, Mylord. Dieses Gesetz verschafft unserer Partei sechs Millionen zusätzliche Stimmen.«
    »Also wollen Sie das Frauenwahlrecht unterstützen?«
    »Das müssen wir. Wir brauchen die konservativen Frauen. Bei der nächsten Wahl können drei Millionen Arbeiter zum ersten Mal ihre Stimme abgeben. Viele davon kommen aus der Army, und die meisten stehen nicht auf unserer Seite. Aber unsere neuen Wählerinnen sind zahlreicher.«
    »Aber das Prinzip, um Himmels willen!«, protestierte Fitz, obwohl er spürte, dass er die Schlacht verlor.
    »Das Prinzip?«, entgegnete Jones. »Wir haben es mit praktischer Politik zu tun.« Fitz ärgerte sich über Jones’ herablassendes Lächeln. »Andererseits waren Sie ja immer schon Idealist, Mylord.«
    »Wir alle sind Idealisten«, warf Lord Silverman ein, um den Konflikt zu mildern, wie es sich für einen guten Gastgeber gehört.

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