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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Bauernmädchen namens Anjuschka. Alle schauten entsetzt auf Grigori, als der die Tür hinter sich schloss. »Er ist noch rechtzeitig weggekommen«, berichtete er. »Aber die Polizei ist schon draußen. Wir müssen Sinowjew und Kamenew anrufen.«
    Jelisarow eilte zu dem Telefon, das auf einem kleinen Tisch stand, und gab der Vermittlung eine Nummer durch.
    Jemand hämmerte gegen die Tür.
    Grigori blickte die anderen an und legte den Finger auf die Lippen.
    Anna führte Anjuschka und das Kind rasch in den hinteren Teil der Wohnung.
    Eine schroffe Stimme auf dem Flur sagte: »Aufmachen, oder wir schlagen die Tür ein! Wir haben einen Durchsuchungsbefehl!«
    »Wer ist da?«, fragte Grigori.
    »Die Polizei! Macht auf!«
    Grigori hörte, wie Jelisarow ins Telefon sagte: »Ist gut … ja. Sag ihm, er soll sich verstecken … ja, die Polizei steht vor meiner Tür.« Dann legte er auf und nickte Grigori zu.
    Grigori öffnete und trat einen Schritt zurück.
    Pinsky stürmte ins Zimmer, gefolgt von mehreren Beamten. »Wo ist Lenin?«
    Grigori antwortete: »Lenin? Hier gibt es keinen, der so heißt.«
    Pinsky starrte ihn an. »Du!«, stieß er hervor. »Ich wusste schon immer, dass du ein Unruhestifter bist.«
    Jelisarow trat vor und sagte mit ruhiger Stimme: »Zeigen Sie mir den Durchsuchungsbefehl.«
    Widerwillig reichte Pinsky ihm ein Blatt Papier.
    Lenins Schwager überflog das Schreiben. »Hochverrat?«, sagte er. »Das ist lächerlich!«
    »Lenin ist ein deutscher Agent«, erwiderte Pinsky. Mit zusammengekniffenen Augen schaute er Jelisarow an. »Sie sind doch sein Schwager, oder?«
    Jelisarow gab ihm das Papier zurück. »Der Mann, nach dem Sie suchen, ist nicht hier«, sagte er.
    Pinsky fuhr herum und packte Grigori am Kragen. »Du hast ihn gewarnt, stimmt’s? Was tust du überhaupt hier?«
    »Ich bin Deputierter des Petrograder Sowjets und repräsentiere das 1. Maschinengewehrregiment. Wenn Sie nicht wollen, dass das Regiment Ihrem Hauptquartier einen Besuch abstattet, sollten Sie Ihre Finger von meiner Uniform nehmen.«
    Pinsky ließ ihn los. »Wir werden uns trotzdem umsehen«, sagte er.
    Hinter dem Telefon stand ein Bücherregal. Pinsky riss ein halbes Dutzend Bücher heraus und warf sie auf den Boden. Dann winkte er den Polizisten, die Wohnung zu durchsuchen. »Nehmt den Laden auseinander«, befahl er.

    In einem kleinen russischen Dorf drückte Walter einem freudig überraschten Bauern für dessen Kleidung – einen verdreckten Schafsledermantel, einen Leinenkittel, eine weite, grobe Hose und Schuhe aus geflochtener Birkenrinde – eine Goldmünze in die Hand. Dann stutzte Walter sich das Haar mit einer Küchenschere und ließ den sprießenden Bart stehen. Er kaufte einen Sack Zwiebeln, stopfte eine Ledertasche mit zehntausend Rubeln in Münzen und Scheinen hinein und ließ die Tasche unter den Zwiebeln verschwinden.
    Vor Einbruch der Nacht schmierte er sich Hände und Gesicht mit Schlamm ein; dann durchquerte er in der Bauernkleidung und mit dem Sack über der Schulter das Niemandsland, gelangte durch die russischen Linien und marschierte zum nächsten Bahnhof, wo er sich eine Fahrkarte dritter Klasse kaufte.
    Er gab sich aggressiv und starrte jeden, der sich ihm mehr als drei Schritte näherte, drohend an, als fürchtete er, der Betreffende wolle ihm den Zwiebelsack wegnehmen – was in vielen Fällen vermutlich sogar stimmte. Zur Abschreckung trug Walter ein großes Messer bei sich, rostig, aber scharf, das er gut sichtbar in seinem Gürtel trug. Außerdem hatte er einen Revolver unter dem Mantel versteckt; die Waffe hatte er einem gefangenen russischen Offizier abgenommen.
    Einmal wurde Walter von einem Polizisten angesprochen. Er grinste nur dümmlich und bot dem Mann eine Zwiebel an, worauf dieser angewidert das Gesicht verzog und ihm seine Ruhe ließ. Hätte der Polizist darauf bestanden, einen genaueren Blick in den Sack zu werfen, hätte Walter ihn getötet.
    Er kaufte immer nur Fahrscheine für kurze Strecken, nie länger als drei oder vier Stationen, denn kein Bauer fuhr mehrere Hundert Kilometer, um seine Zwiebeln an den Mann zu bringen. Die ganze Zeit blieb Walter angespannt und wachsam, zumal seine Verkleidung nicht besonders gut war. Jeder, der länger als ein paar Sekunden mit ihm sprach, würde sofort wissen, dass er keinen Bauern vor sich hatte. Und wäre Walters Tarnung aufgeflogen, hätte es seinen sicheren Tod bedeutet. Doch trotz der beständigen Drohung langweilte er sich bald. Aber er

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