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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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dieser Schule zu verstecken. Geht in die Fabriken und fragt die Arbeiter dort. Redet mit den Soldaten auf der Straße. Dann werdet ihr die Wahrheit schnell genug erfahren.«
    Der Korporal nickte. »Gute Idee.«
    »Ihr werdet nichts dergleichen tun!«, rief der Oberst wütend. »Ihr bleibt hier! Das ist ein Befehl!«
    Das war ein Fehler, dachte Grigori und rief: »Euer Oberst will nicht, dass ihr euch davon überzeugt, was Wahrheit und was Lüge ist. Ist das nicht der beste Beweis, dass er lügt?«
    Der Oberst legte die Hand auf die Pistole. »Das ist Meuterei, Sergeant.«
    »Meuterei? Wenn ein entlassener General gegen die Hauptstadt marschiert, seine Truppen sich aber weigern, die rechtmäßige Regierung anzugreifen, wer ist dann der Meuterer? Niemand anders als der verräterische General! Und alle Offiziere wie Sie, Oberst, die versuchen, seine Befehle umzusetzen!«
    Der Oberst zog seine Waffe. »Mach, dass du wegkommst, Sergeant.« Er drehte sich zu seinen Leuten um. »Zurück in die Schule mit euch! Versammelt euch in der Halle! Und vergesst nicht: Ungehorsam wird mit dem Tod bestraft. Ich werde jeden erschießen, der nicht gehorcht.«
    Er richtete seine Waffe auf den Korporal.
    Grigori sah, dass die Soldaten dem Offizier gehorchen würden. Es gab nur einen Ausweg: Er musste den Oberst töten. Dazu musste er allerdings schnell sein, sonst war er ein toter Mann.
    Grigori riss sich das Gewehr von der Schulter und rammte dem Oberst das Bajonett mit aller Kraft in die Seite. Die Spitze drang durch den Stoff tief ins Fleisch. Der Oberst stieß einen durchdringenden Schrei aus und wankte, fiel aber nicht. Trotz des Schocks und der Schmerzen schwang er seine Waffe herum und drückte ab, doch der Schuss ging ins Leere.
    Grigori stieß das Bajonett tiefer in den Körper des Mannes und drehte es nach oben in Richtung Herz. Das Gesicht des Obersts verzerrte sich vor Schmerz. Vergeblich versuchte er, die Pistole noch einmal in Anschlag zu bringen. Ein Zittern durchlief seinen Körper, und mit einem dumpfen Stöhnen fiel er zu Boden, die Waffe noch in der Hand.
    Grigori riss das Bajonett aus der Wunde des zuckenden Mannes, dem die Pistole aus den Fingern glitt.
    Alle starrten auf den Oberst, der sich in stummer Qual auf dem Rasen des Schulhofs wand. Grigori entsicherte sein Gewehr, zielte auf das Herz des Sterbenden und feuerte zweimal aus nächster Nähe. Der Oberst bäumte sich krampfhaft auf, erschlaffte und rührte sich nicht mehr.
    »Sie haben recht gehabt, Herr Oberst«, sagte Grigori. »Darauf steht die Todesstrafe.«

    Fitz und Bea nahmen den Zug von Moskau. Sie wurden von Beas russischer Zofe Nina und Fitz’ Kammerdiener Jenkins begleitet, einem ehemaligen Boxchampion, der nicht eingezogen worden war, weil er keine zehn Meter weit sehen konnte.
    In Bulownir, dem kleinen Bahnhof unweit des Landguts von Fürst Andrej, stiegen sie aus dem Zug. Fitz’ Experten hatten vorgeschlagen, dass Andrej hier eine kleine Stadt bauen solle, mit Sägewerk, Getreidespeichern und einer Mühle; doch nichts dergleichen war geschehen. Die Bauern mussten ihre Erzeugnisse wie in alten Zeiten zwanzig Meilen weit zum alten Marktflecken karren.
    Andrej ließ sie von einer offenen Kutsche abholen. Der mürrische Kutscher schaute zu, wie Jenkins die schweren Koffer hinten auf das Gefährt wuchtete. Als sie dann über einen Feldweg zwischen Weiden und Äckern hindurchrumpelten, erinnerte Fitz sich an seinen ersten Besuch in Bulownir. Damals war er als frischgebackener Ehemann der Fürstin gekommen, und die Dörfler hatten jubelnd am Straßenrand gestanden. Diesmal war alles ganz anders. Die Feldarbeiter hoben kaum den Blick, als die Kutsche vorbeirollte, und in den Dörfern und Weilern kehrten die Bewohner ihnen absichtlich den Rücken zu.
    Fitz war wütend über diese Respektlosigkeit, doch seine Laune besserte sich rasch, als er das alte, von Wind und Wetter gezeichnete, beeindruckende Gebäude sah, das von der Nachmittagssonne in buttergelbes Licht getaucht wurde. Eine kleine Schar makellos gekleideter Diener flatterte aus dem Haupteingang wie Gänse auf dem Weg zum Trog, verteilte sich um die Kutsche, öffnete Türen und kümmerte sich um das Gepäck. Andrejs Verwalter, Georgi, küsste Fitz die Hand und sagte einen Satz auf Englisch, den er offenbar auswendig gelernt hatte: »Willkommen in Ihrem russischen Heim, Earl Fitzherbert.«
    Die Villen russischer Edelleute waren oft überaus prunkvoll, aber heruntergekommen, und Bulownir bildete da

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