Sturz der Titanen
in dem schmalen Flur war nur Platz für jeweils eine Person. Hinter ihnen, im Speisezimmer und im Salon, sah Fitz Flammen lodern.
Er zog seinen Webley. Es war eine Waffe mit Spannabzug, sodass er feuern konnte, ohne den Hahn zu spannen. Er verlagerte sein Gewicht auf das gesunde Bein, zielte auf den Bauch des heranstürmenden Soldaten und drückte ab. Die Waffe krachte, und der Mann fiel vor Fitz auf den gefliesten Boden. In der Küche kreischten die Frauen.
Fitz schaltete noch zwei weitere Verfolger aus; ein vierter Mann jedoch huschte ins Speisezimmer, ehe Fitz auf ihn schießen konnte.
Fitz schmetterte die Küchentür zu. Die Verfolger würden jetzt ins Stocken geraten und überlegen, wie sie sich vergewissern konnten, ob er ihnen auflauerte. Das verschaffte Fitz die Zeit, die er brauchte.
Er hob Valerija hoch, die inzwischen das Bewusstsein verloren hatte. Fitz war noch nie in der Küche dieses Hauses gewesen, ging aber zielsicher zur hinteren Tür. Durch einen weiteren Flur gelangten sie zu den Lagerräumen und zur Waschküche. Von dort führte eine Tür nach draußen.
Fitz trat hinaus und schnappte nach Luft. Sein Bein schmerzte höllisch. Aber da stand die Kutsche. Jenkins saß bereits auf dem Bock, und Bea wartete in der offenen Kabine. Nina hockte neben ihr und schluchzte. Ein ängstlich dreinblickender Stallbursche hielt die Pferde an der Leine.
Fitz hob die bewusstlose Valerija ins Innere der Kutsche, stieg hinter ihr ein und rief Jenkins zu: »Los!«
Jenkins knallte mit der Peitsche. Der Stallbursche sprang zur Seite, und die Kutsche raste davon.
Fitz blickte Bea an. »Alles in Ordnung?«
Sie nickte. »Und was ist mit dir?«
»Ich bin unverletzt. Aber ich fürchte um das Leben deines Bruders.« In Wahrheit war er sich ziemlich sicher, dass Andrej bereits tot war, wollte es ihr aber nicht sagen.
Bea blickte auf ihre Schwägerin. »Was ist passiert?«
»Eine Kugel muss sie erwischt haben.« Fitz schaute sich Valerija genauer an. Ihr Gesicht war kreidebleich, und sie atmete nicht mehr. »O Gott!«, stieß er hervor.
»Sie ist tot, nicht wahr?«, fragte Bea.
»Du musst jetzt sehr tapfer sein.«
»Ja.« Bea ergriff die leblose Hand ihrer Schwägerin. »Arme Valerija.«
Die Kutsche jagte rumpelnd die Auffahrt hinunter und an dem kleinen Haus vorbei, in dem Beas Mutter nach dem Tod ihres Mannes gelebt hatte. Fitz schaute ein letztes Mal zur Villa zurück. Vor der Hintertür stand eine kleine Gruppe wütender Verfolger. Einer von ihnen legte das Gewehr an. Fitz drückte Beas Kopf hinunter und duckte sich.
Als er wieder den Blick hob, waren sie bereits außer Schussweite. Bauern und Diener strömten aus sämtlichen Türen. Hinter den Fenstern war flackerndes Licht zu sehen: Das Innere der Villa stand in Flammen. Rauch quoll aus dem Haupteingang. Eine grelle Stichflamme schlug aus einem Fenster und setzte den Efeu in Brand.
Sekunden später rumpelte die Kutsche über eine Hügelkuppe und auf der anderen Seite den Hang hinunter.
Das alte Haus verschwand aus ihrem Blickfeld.
Kapitel 28
Oktober und November 1917
Zornig stieß Walter hervor: »Admiral von Holtzendorff hat uns versprochen, die Briten wären in fünf Monaten ausgehungert. Das ist jetzt neun Monate her.«
»Er hat halt einen Fehler gemacht«, sagte sein Vater.
Walter schluckte eine verächtliche Bemerkung hinunter.
Sie befanden sich in Otto von Ulrichs Büro im Auswärtigen Amt in Berlin. Otto saß auf einem reich beschnitzten Stuhl an seinem Schreibtisch. An der Wand hinter ihm hing ein Porträt von Kaiser Wilhelm I ., dem Großvater des derzeitigen Monarchen, den man im Spiegelsaal zu Versailles zum ersten Hohenzollern-Kaiser ausgerufen hatte.
Die Erklärungsversuche seines Vaters machten Walter noch wütender. »Der Admiral hat sein Wort als Offizier gegeben, dass kein Amerikaner Europa erreicht«, sagte er. »Unseren Berichten zufolge sind im Juni aber vierzehntausend Amerikaner in Frankreich gelandet. So viel zum Wort eines Offiziers!«
Die Bemerkung schmerzte Otto. »Der Admiral hat getan, was er als das Beste für sein Land erachtet hat«, sagte er gereizt. »Mehr kann man nicht tun.«
Walter hob die Stimme. »Ach ja? Und ob er mehr tun kann! Wie wäre es zum Beispiel, wenn er keine falschen Versprechungen mehr macht? Wenn ein Mann etwas nicht mit Sicherheit weiß, sollte er nicht so tun, als wäre alles klar. Entweder sagt er die Wahrheit, oder er sollte den Mund halten.«
»Holtzendorff hat den besten Rat gegeben, den
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