Sturz der Titanen
deshalb auch den Völkerbund akzeptieren.« Er zuckte mit den Schultern. »Lodge hat ihm gesagt, er solle sich zum Teufel scheren.«
Dr. Hellman sagte: »Eines muss man Mr. Lodge lassen: Ich denke, das amerikanische Volk hat durchaus recht, Artikel 10 zu hinterfragen. Wenn wir einem Völkerbund beitreten, der seinen Mitgliedern Schutz vor Aggressionen garantiert, verpflichten wir uns militärisch für zukünftige Konflikte.«
Gus’ Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. »Wenn der Völkerbund stark ist, wird niemand es wagen, sich ihm zu widersetzen.«
»Da bin ich nicht so überzeugt wie Sie«, erwiderte Dr. Hellman.
Gus wollte sich nicht mit Rosas Vater streiten, aber was den Völkerbund betraf, war er leidenschaftlich. »Ich behaupte ja nicht, dass es nie wieder Krieg geben wird«, sagte er in versöhnlichem Tonfall. »Ich glaube allerdings, dass die Kriege seltener und kürzer sein würden, wenn es einen Völkerbund gibt, und dass die Aggressoren durch einen Krieg kaum noch etwas gewinnen könnten.«
»Da mögen Sie recht haben. Aber viele Wähler sagen: ›Vergesst die Welt, mich interessiert nur Amerika. Sollen wir uns da der Gefahr aussetzen, den Weltpolizisten zu spielen?‹ Das ist eine durchaus vernünftige Frage.«
Es kostete Gus alle Mühe, seine Wut zu unterdrücken. Der Völkerbund war die größte Hoffnung auf Frieden, die die Menschheit je gehabt hatte; nun aber drohte er wegen einer Engstirnigkeit, wie Hellman sie an den Tag legte, zu einer Totgeburt zu werden. Gus sagte: »Der Völkerbundsrat muss seine Entscheidungen einstimmig treffen. Die Vereinigten Staaten werden nie gegen ihren Willen in einen Krieg ziehen müssen.«
»Trotzdem … Ein Völkerbund, der nicht kämpfen will, ist sinnlos.«
Das war typisch für die Feinde des Völkerbundes: Erst beschwerten sie sich, dass er kämpfen würde, dann beklagten sie sich darüber, dass er es nicht tun würde. Gus erklärte: »Diese Probleme sind nichts im Vergleich zum Tod von Millionen Menschen!«
Dr. Hellman zuckte mit den Schultern. Er war viel zu höflich, um die Diskussion mit einem so leidenschaftlichen Opponenten fortzusetzen. »Wie auch immer«, sagte er, »wenn ich recht informiert bin, muss ein internationaler Vertrag durch eine Zweidrittelmehrheit im Senat bestätigt werden.«
»Und im Augenblick haben wir noch nicht einmal die Hälfte«, murrte Gus.
Rosa, die über dieses Problem berichtete, sagte: »Ich habe vierzig Befürworter gezählt, einschließlich Ihnen, Senator Dewar. Dreiundvierzig haben noch Bedenken, acht sind eindeutig dagegen, und fünf sind unentschlossen.«
Dr. Hellman fragte Gus: »Was wird der Präsident jetzt tun?«
»Er wird sich über die Köpfe der Politiker hinweg an das Volk wenden. Er plant eine Zehntausend-Meilen-Reise durch das ganze Land und wird mehr als fünfzig Reden in vier Wochen halten.«
»Ein schrecklich enger Zeitplan. Wilson ist zweiundsechzig und leidet unter Bluthochdruck.«
Dr. Hellman saß der Schalk im Nacken, erkannte Gus. Alles, was er sagte, war als Herausforderung gedacht. Offensichtlich wollte er wissen, aus was für einem Holz der Freier seiner Tochter geschnitzt war. Gus erwiderte: »Aber am Ende dieser Reise wird der Präsident dem amerikanischen Volk erklärt haben, warum die Welt einen Völkerbund braucht, um dafür zu sorgen, dass wir nie wieder einen Krieg wie den letzten kämpfen müssen.«
»Ich bete, dass Sie recht behalten.«
»Wenn es darum geht, dem einfachen Volk komplexe politische Zusammenhänge zu erklären, gibt es keinen Besseren als Woodrow Wilson.«
Zum Dessert wurde Champagner serviert. »Bevor wir beginnen, würde ich gerne etwas sagen«, erklärte Gus. Seine Eltern schauten überrascht drein; Gus hielt niemals Reden. »Mrs. Hellman … Dr. Hellman, Sie wissen, dass ich Ihre Tochter liebe, das wunderbarste Mädchen auf der ganzen Welt. Es ist zwar ein wenig altmodisch, aber ich würde Sie gerne um Erlaubnis bitten …« Er holte ein kleines Lederkästchen aus seiner Jackentasche. »Um Erlaubnis bitten, ihr diesen Verlobungsring anstecken zu dürfen.« Er öffnete das Kästchen. Es enthielt einen Goldring mit einem einzelnen einkarätigen Brillanten. Das war nicht protzig, aber der Brillant war von hochfeinem Weiß, der begehrtesten Farbe, und wundervoll geschliffen.
Rosa schnappte nach Luft.
Dr. Hellman schaute seine Frau an, und beide lächelten. »Wir geben Ihnen mit Freuden unsere Erlaubnis«, sagte er.
Gus ging um den Tisch herum und kniete
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