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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Daisy in den Mund. »Willst du noch eins?«
    »Ja.«
    »Aber das war doch schon so groß.«
    »Nein, war es nicht!«
    »Okay, dann mach ich dir noch eins.«
    Lew war bester Laune. Sein Leben war noch viel schöner, als er Grigori vor zehn Monaten in Trotzkis Zug erzählt hatte. Lew lebte in Luxus und Wohlstand im Haus seines Schwiegervaters. Er leitete drei Vyalov-Nachtclubs und wurde gut dafür bezahlt, ganz zu schweigen von den großzügigen Rabatten, die er von den Lieferanten bekam. Er hatte Marga in einem eleganten Apartment untergebracht und sah sie fast jeden Tag. Nur eine Woche nach seiner Rückkehr war sie schwanger geworden, und vor wenigen Tagen hatte sie einen Jungen zur Welt gebracht, den sie Gregory genannt hatten. Und Lew war es sogar gelungen, das Ganze geheim zu halten.
    Olga kam ins Speisezimmer, küsste Daisy und setzte sich. Lew liebte Daisy, doch für Olga hegte er keinerlei Gefühle mehr. Marga war weitaus attraktiver und humorvoller. Und es gab noch jede Menge andere willige Mädchen, wie er herausgefunden hatte, als Marga hochschwanger gewesen war.
    »Guten Morgen, Mommy!«, sagte Lew fröhlich.
    Daisy verstand den Wink und wiederholte seine Worte.
    Olga fragte: »Füttert Daddy dich?«
    Dieser Tage redeten sie fast immer nur über das Kind miteinander. Nach Lews Rückkehr hatten sie ein paar Mal Sex gehabt, doch schon bald waren sie einander wieder gleichgültig geworden. Nun schliefen sie in getrennten Zimmern und erklärten es Olgas Eltern damit, dass Daisy nachts immer aufwachen würde, obwohl das Mädchen in Wahrheit längst durchschlief. Olga schaute stets traurig und enttäuscht drein, doch Lew kümmerte das schon lange nicht mehr.
    Joseph kam ins Zimmer.
    »Opa ist da!«, sagte Lew zu Daisy.
    »Morgen«, sagte Joseph kurz angebunden.
    »Opa will ein Sandwich«, kicherte Daisy.
    »Nein«, sagte Lew. »Die sind zu groß für ihn.«
    Daisy lachte immer fröhlich, wenn Lew etwas so offensichtlich Falsches sagte. »Nein, sind sie gar nicht«, widersprach sie. »Sie sind zu klein!«
    Joseph setzte sich. Er hatte sich sehr verändert; er war übergewichtig geworden, und sein Anzug spannte am Bauch. Allein die Treppe hinunterzusteigen ließ ihn schon keuchen. Muskeln hatten sich in Fett verwandelt; schwarzes Haar war grau geworden, und die rosa Gesichtsfarbe war einem ungesunden Rot gewichen.
    Polina kam mit einer Kanne Kaffee aus der Küche und goss Joseph eine Tasse ein. Er schlug den Buffalo Advertiser auf.
    »Wie läuft das Geschäft?«, fragte Lew. Um Mitternacht am 16. Januar war der Volstead Act in Kraft getreten, der die Herstellung, den Transport und den Verkauf berauschender alkoholischer Getränke für illegal erklärte. Das Imperium der Familie Vyalov beruhte jedoch auf Bars, Hotels und Alkoholgroßhandel. Die Prohibition war die Schlange in Lews Paradies.
    »Miserabel«, sagte Joseph mit seiner üblichen Offenheit. »Ich habe in nur einer Woche fünf Bars schließen müssen, und es wird noch schlimmer.«
    Lew nickte. »In den Clubs biete ich fast nur noch alkoholfreies Bier an, aber das will keiner.« Der Volstead Act erlaubte den Genuss von Bier, das weniger als ein halbes Prozent Alkohol hatte. »Man muss schon eine ganze Gallone von dem Zeug saufen, um überhaupt was zu merken.«
    »Wir können ein bisschen Fusel unter der Ladentheke verscherbeln, aber wir kriegen nicht genug, und überhaupt haben die meisten Leute zu viel Angst, was zu kaufen.«
    Olga war schockiert. Sie wusste nur wenig vom Geschäft. »Was wirst du jetzt tun, Daddy?«
    »Keine Ahnung«, antwortete Joseph.
    Das war auch eine dieser Veränderungen: Der alte Joseph hätte für eine solche Krise vorausgeplant. Inzwischen war das Gesetz schon drei Monate in Kraft, und Joseph hatte keinen Finger gerührt, um auf diese neue Situation zu reagieren. Lew hatte die ganze Zeit darauf gewartet, dass sein Schwiegervater irgendein Ass aus dem Ärmel zog, doch mittlerweile war ihm schmerzlich bewusst geworden, dass das nicht geschehen würde.
    Das war besorgniserregend. Lew hatte eine Frau, eine Geliebte und zwei Kinder, und alle lebten sie von den Erträgen des Vyalov-Imperiums. Wenn dieses Imperium zusammenbrach, brauchte Lew einen Plan.
    Polina rief Olga ans Telefon, und sie ging in den Flur. Lew konnte sie sprechen hören. »Hallo, Ruby«, sagte sie. »Du bist ja früh auf.« Es folgte eine Pause. »Was? Das kann ich nicht glauben.« Längeres Schweigen folgte; dann brach Olga in Tränen aus.
    Joseph hob den Blick von

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