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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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erwiderte Lloyd George. »Ich habe mich nur gefragt, wie es ihr geht. Entzückende junge Dame.«
    Die Vorliebe des Premierministers für entzückende junge Damen war bekannt, wenn nicht sogar berüchtigt.
    »Ich fürchte, das Leben in Deutschland ist hart«, sagte Fitz. Maud hatte ihn in einem Brief um eine regelmäßige Zuwendung gebeten, was er jedoch strikt abgelehnt hatte. Sie hatte ihn nicht um Erlaubnis gebeten, ehe sie geheiratet hatte – wie konnte sie da jetzt Unterstützung von ihm erbetteln?
    »Hart?«, fragte Lloyd George. »Das sollte es auch sein, nach allem, was die Deutschen getan haben. Dennoch tut Ihre Schwester mir leid.«
    »Um auf etwas anderes zu sprechen zu kommen, Sir«, sagte Fitz, »dieser Kamenew ist ein jüdischer Bolschewist. Sie sollten ihn ausweisen lassen.«
    Der Premierminister nippte an einem Glas Champagner und war in aufgeräumter Stimmung. »Mein lieber Fitz«, sagte er jovial, »die russische Desinformation ist dermaßen primitiv, dass die Regierung sich nicht darum sorgt. Unterschätzen Sie die britischen Arbeiter nicht. Sie erkennen Gewäsch, wenn sie es hören. Glauben Sie mir, Kamenews Reden tragen mehr zur Diskreditierung des Bolschewismus bei als alles, was Sie oder ich an Argumenten anführen könnten.«
    Fitz hielt das für völligen Blödsinn. »Er hat dem Daily Herald sogar Geld gespendet!«
    »Ich gestehe Ihnen zu, es ist unhöflich von einer fremden Regierung, eine unserer Zeitungen zu subventionieren – aber haben wir denn wirklich Angst vor dem Daily Herald? Schließlich ist es ja nicht so, als hätten wir Liberale und Konservative keine eigenen Blätter.«
    »Aber Kamenew setzt sich mit den verbissensten revolutionären Gruppen in diesem Land in Verbindung – Verrückte, die an nichts anderes denken als an die Vernichtung unserer gesamten Lebensweise!«
    »Je mehr das britische Volk über den Bolschewismus erfährt, desto weniger wird es ihn mögen. Denken Sie an meine Worte. Der Bolschewismus ist nur aus der Ferne beeindruckend, durch einen undurchdringlichen Nebel betrachtet. Man könnte sogar sagen, der Sowjetstaat ist ein Bollwerk für die britische Gesellschaft, denn er flößt allen Klassen Angst ein vor dem, was geschehen könnte, wenn das derzeitige Gesellschaftsgefüge zum Einsturz gebracht wird.«
    »Mir gefällt es einfach nicht.«
    »Es kommt noch etwas hinzu«, fuhr Lloyd George fort. »Würden wir die Russen hinauswerfen, müssten wir erklären, woher wir ihre Pläne kennen – und das Eingeständnis, dass wir sie bespitzeln, könnte die Meinung der Arbeiter gegen uns stärker aufstacheln als alle schwülstigen Ansprachen der Bolschewisten zusammengenommen.«
    Fitz missfiel es, wenn jemand ihn über politische Realitäten belehrte, und sei es der Premierminister persönlich, doch er beharrte auf seiner Meinung, weil er so wütend war. »Aber wir haben es nicht nötig, mit den Bolschewisten Handel zu treiben!«
    »Würden wir uns weigern, mit jedem Handel zu treiben, der seine hiesige Botschaft zu Propagandazwecken missbraucht, blieben nicht viele Geschäftspartner übrig. Kommen Sie, Fitz, wir handeln sogar mit Kannibalen auf den Salomon-Inseln!«
    Fitz war sich nicht sicher, ob das stimmte – immerhin hatten die Kannibalen der Salomonen nicht viel zu bieten –, aber er erwiderte nichts darauf. »Geht es uns so schlecht, dass wir mit dieser Mörderbande Geschäfte machen müssen?«
    »Ich fürchte, so ist es. Ich habe mit vielen guten Geschäftsleuten gesprochen, und sie haben mir wahrhaft Angst eingejagt, was die nächsten anderthalb Jahre angeht. Es kommen keine Aufträge herein. Die Kunden kaufen nicht. Uns könnte die schlimmste Arbeitslosigkeit bevorstehen, die wir je erlebt haben. Die Russen aber möchten kaufen, und sie zahlen in Gold.«
    »Ich würde ihr Gold nicht nehmen!«
    »Das mag sein, Fitz«, entgegnete Lloyd George. »Aber Sie haben ja auch genug davon.«

    Als Billy Williams seine Braut nach Aberowen heimbrachte, feierte die ganze Wellington Row.
    Es war ein Samstag im Sommer, und ausnahmsweise fiel kein Regen. Um drei Uhr nachmittags trafen Billy und Mildred mit ihren Töchtern Enid und Lillian ein, Billys neuen Stiefkindern, mittlerweile sieben und acht Jahre alt. Inzwischen waren die Bergleute ausgefahren, hatten ihr wöchentliches Bad genommen und waren in die Sonntagsanzüge gestiegen.
    Billys Eltern warteten am Bahnhof. Sie waren älter geworden, wirkten geschrumpft und beherrschten nicht mehr wie früher die Umstehenden

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