Sturz der Titanen
nickte.
Diaz sagte: »Sie würden uns also Gewehre geben …«
»Verkaufen, nicht geben«, murmelte Otto.
»Sie würden uns jetzt also Gewehre im Tausch für das Versprechen verkaufen, dass wir im Kriegsfall kein Öl an Großbritannien liefern.« Diaz war den komplizierten Tanz diplomatischer Konversation offenbar nicht gewöhnt.
»Das wäre zu überlegen.« In der Diplomatensprache war das ein eindeutiges Ja.
Der Lakai rief: »Monsieur Honoré de Picard de la Fontaine!«, und die Zeremonie begann.
Otto schaute Diaz unverwandt in die Augen. »Ich möchte von Ihnen wissen, wie ein solches Angebot in Mexiko-Stadt aufgenommen würde.«
»Präsident Huerta wäre interessiert, könnte ich mir vorstellen.«
»Wenn der deutsche Gesandte in Mexiko, Admiral Paul von Hintze, sich formell an Ihren Präsidenten wenden würde, würde man ihn also nicht zurückweisen.«
Walter sah, dass sein Vater unbedingt eine eindeutige Antwort haben wollte. Die deutsche Regierung durfte nicht riskieren, dass man ihr ein solches Angebot um die Ohren haute.
Walters besorgter Meinung nach war eine peinliche Situation jedoch bei Weitem nicht die größte Gefahr, die bei dieser diplomatischen Intrige drohte. Vielmehr ging Deutschland das Risiko ein, sich die USA zum Feind zu machen. Leider konnte Walter dies in Gegenwart von Diaz nicht mit seinem Vater diskutieren.
»Ein solches Ansinnen würde keineswegs zurückgewiesen«, antwortete Diaz auf Ottos Frage.
»Sind Sie sicher?«, hakte Otto nach.
»Ich kann es Ihnen garantieren.«
»Vater«, sagte Walter, »könnte ich dich kurz sprechen …« Doch der Lakai rief: »Herr Walter von Ulrich!«
Walter zögerte. »Du bist dran«, sagte sein Vater. »Geh!«
Walter wandte sich von den beiden ab und betrat den Thronsaal.
Die Briten liebten es, ihre Gäste mit Prunk zu beeindrucken. Die Kassettendecke war mit einem Diamantenmuster verziert; an den roten Plüschwänden hingen riesige Porträts, und am gegenüber liegenden Ende stand der Thron unter einem hohen Baldachin mit Seidenbehängen. Vor dem Thron stand der König in Marineuniform. Walter freute sich, das vertraute Gesicht von Sir Alan Tite an der Seite des Herrschers zu sehen. Ohne Zweifel flüsterte er die jeweiligen Namen ins königliche Ohr.
Walter näherte sich dem Thron und verneigte sich. »Schön, Sie zu sehen, von Ulrich«, sagte der König.
Walter hatte auswendig gelernt, was er sagen wollte. »Ich hoffe, Euer Majestät fanden die Diskussionen in Ty Gwyn interessant.«
»Sehr! Obwohl natürlich ein furchtbarer Schatten auf die Gesellschaft gefallen ist.«
»Das Grubenunglück. Ja, das war in der Tat eine Tragödie.«
»Ich freue mich schon auf unser nächstes Treffen.«
Und damit war Walter auch schon entlassen. Er ging rückwärts und verneigte sich dabei wiederholt, wie es angemessen war, bis er die Tür erreichte.
Sein Vater wartete auf ihn.
»Das ging ja schnell«, bemerkte Walter.
»Im Gegenteil, es hat länger gedauert als sonst«, widersprach Otto. »Normalerweise sagt der König nur, ›Ich freue mich, Sie in London zu sehen‹, und damit hat es sich.«
Gemeinsam verließen sie den Palast. »Diese Briten sind in vieler Hinsicht ein bewundernswertes Volk, aber sie sind auch weich«, sagte Otto, als sie über die St. James’ Street in Richtung Piccadilly gingen. »Der König wird von seinen Ministern beherrscht, die Minister sind dem Parlament verantwortlich, und die Parlamentsmitglieder werden vom gewöhnlichen Volk gewählt. Wie kann man auf diese Weise ein Land regieren?«
Walter ging nicht auf diese Provokation ein. Er glaubte, dass das politische System Deutschlands sich längst überlebt hatte, und dass sein schwaches Parlament weder gegen den Kaiser noch die Generale ankam; aber er hatte diese Diskussion schon oft mit seinem Vater geführt, und er machte sich noch immer Sorgen wegen des Gesprächs mit dem mexikanischen Gesandten. »Was du zu Diaz gesagt hast, war ziemlich riskant«, sagte er. »Präsident Wilson wird es gar nicht gefallen, wenn wir Waffen an Huerta verkaufen.«
»Was kümmert es uns, was Präsident Wilson denkt?«
»Die Gefahr liegt darin, dass wir uns mit Mexiko anfreunden, einer schwachen Nation, und uns dadurch eine starke Nation zum Feind machen, die Vereinigten Staaten.«
»In Amerika wird es keinen Krieg geben.«
Walter nahm an, dass das stimmte; trotzdem machte er sich Sorgen. Ihm gefiel die Vorstellung nicht, dass sein Land es sich mit den Vereinigten Staaten
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