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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Prostituierten!«
    Es versetzte Walter einen Stich ins Herz. Er musste erkennen, dass sein Plan auf schreckliche Weise fehlgeschlagen war. »Aber siehst du denn nicht, wie tapfer sie ist?«, fragte er kläglich.
    »Tapfer?« Ottos Stimme klang herablassend. »Bestimmt nicht. Wäre sie meine Schwester, würde ich ihr eine ordentliche Tracht Prügel verpassen.«

    Krise im Weißen Haus!
    In den frühen Morgenstunden des 21. April befand sich Gus Dewar im Westflügel. Dieser neue Gebäudeteil bot dringend benötigten zusätzlichen Büroraum, sodass das ursprüngliche Weiße Haus weiterhin als Residenz des amerikanischen Präsidenten dienen konnte. Gus saß im Arbeitszimmer des Präsidenten unweit des Oval Office, einem kleinen, schlichten Raum, der nur von einer einzigen schwachen Glühbirne erhellt wurde. Auf dem Tisch stand die abgenutzte, tragbare Underwood-Schreibmaschine, auf der Woodrow Wilson seine Reden und Presseerklärungen schrieb.
    Doch Gus war mehr an dem Telefon interessiert. Wenn es klingelte, musste er darüber entscheiden, ob er den Präsidenten wecken sollte oder nicht. Ein einfacher Telefonist konnte eine solche Entscheidung nicht treffen. Andererseits brauchten auch die engsten Berater des Präsidenten ihren Schlaf. Gus war der rangniederste dieser Berater – oder der höchste Angestellte, je nachdem, aus welchem Blickwinkel man es betrachtete. Jedenfalls war ihm die Aufgabe zugefallen, die ganze Nacht neben dem Telefon zu sitzen und zu entscheiden, ob und wann er den Schlaf des Präsidenten stören musste – oder der First Lady, Ellen Wilson, die unter einer mysteriösen Krankheit litt.
    Gus hatte Angst, das Falsche zu sagen oder zu tun. Mit einem Mal erschien ihm seine lange und teure Ausbildung vollkommen überflüssig. Nicht einmal in Harvard gab es einen Kurs über das Thema: »Wie wecke ich den Präsidenten?« Gus hoffte, das Telefon würde niemals klingeln.
    Er war wegen eines Briefes hier, den er geschrieben hatte. Er hatte seinem Vater von dem Wochenende in Ty Gwyn berichtet, von der anschließenden Diskussion über die Kriegsgefahr in Europa und von den Gesprächen mit dem König von England. Senator Dewar fand den Brief so interessant und erheiternd, dass er ihn seinem Freund Woodrow Wilson zeigte, woraufhin dieser gesagt hatte: »Den Jungen hätte ich gerne in meinem Stab.« Gus hatte sich ein Jahr freigenommen, nachdem er in Harvard seinen Abschluss in Völkerrecht gemacht hatte, und war auf Weltreise gegangen, ehe er bei einer Kanzlei in Washington als Anwalt anfangen wollte. Doch er hatte die Weltreise auf halber Strecke unterbrochen und war zurück in die Heimat geeilt, als der Ruf des Präsidenten ihn ereilte.
    Nichts faszinierte Gus mehr als die internationalen Beziehungen – die Freundschaften und der Hass der Nationen, die Allianzen und die Kriege. Als Teenager hatte Gus bei Sitzungen des Senatskomitees für Auswärtige Angelegenheiten zugeschaut, dem sein Vater angehörte; es war für ihn interessanter gewesen als jedes Theaterstück. »So sorgen Staaten für Frieden und Wohlstand – oder für Krieg, Zerstörung und Hunger«, hatte sein Vater ihm erklärt. »Wenn du die Welt verändern willst, kannst du auf dem Feld der internationalen Beziehungen das Beste erreichen, aber auch das Schlimmste.«
    Und nun war Gus mitten in einer internationalen Krise.
    Ein übereifriger mexikanischer Regierungsbeamter hatte im Hafen von Tampico acht amerikanische Seeleute festgenommen. Die Männer waren inzwischen freigelassen; der Beamte hatte sich entschuldigt, und damit hätte die Angelegenheit eigentlich erledigt sein sollen. Doch Admiral Mayo, der Geschwaderkommandeur, hatte einen Salut mit einundzwanzig Schuss verlangt, der ihm vom mexikanischen Präsidenten Huerta jedoch verweigert worden war. Um den Druck zu erhöhen, hatte Präsident Wilson daraufhin mit der Besetzung von Veracruz gedroht, dem größten Hafen Mexikos.
    So stand Amerika nun am Rand eines Krieges. Gus bewunderte den prinzipientreuen Woodrow Wilson, der die zynische Ansicht, ein mexikanischer Bandit sei wie der andere, keineswegs teilte. Doch Huerta war ein Reaktionär, der seinen Vorgänger ermordet hatte; deshalb suchte Wilson nach einem Vorwand, ihn abzusetzen. Es faszinierte Gus, dass einer der wichtigsten politischen Führer der Welt erklärte, es sei inakzeptabel, sich Macht durch Mord zu sichern. Ob einmal eine Zeit kam, in der alle Politiker und sämtliche Nationen diesem Prinzip folgten?
    Die Krise war durch die

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