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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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angenommen. Wir ziehen nach Kalifornien.«
    »Bitte, geh nicht.«
    »Ich habe mich entschieden.«
    »Offensichtlich«, sagte Gus enttäuscht. Er war am Boden zerstört. Sein Herz pochte heftig, und das Atmen fiel ihm schwer. »Kalifornien«, sagte er. »Du lieber Himmel!«
    Caroline sah, dass er sich in das Unvermeidlichen fügte, und allmählich gewann sie die Fassung zurück. »Wir müssen nun lebewohl sagen«, sagte sie.
    »Nein!«
    »Bitte, hör mir zu. Es gibt da etwas, was ich dir sagen will. Es ist meine letzte Gelegenheit.«
    »Also gut.«
    »Vor einem Monat stand ich kurz davor, mich umzubringen. Sieh mich nicht so an, es ist wahr. Ich habe mich wertlos gefühlt und mir gesagt, dass es sowieso niemanden kümmert, ob ich lebe oder sterbe. Dann aber bist du erschienen. Du warst so liebevoll, so höflich und rücksichtsvoll, dass das Leben wieder einen Sinn für mich bekam. Du hast mich geliebt.« Die Tränen strömten ihr über die Wangen, aber sie sprach weiter. »Und du warst glücklich, als ich dich geküsst habe. Mir wurde klar, dass ich doch nicht ganz wertlos bin, wenn ich jemandem so viel geben kann, und dieser Gedanke ließ mich weitermachen. Du hast mir das Leben gerettet, Gus. Möge Gott dich dafür segnen.«
    »Und was bleibt mir?«, fragte er mit aufkeimendem Zorn.
    »Unsere Erinnerungen«, antwortete Caroline. »Ich hoffe, du wirst sie genauso in Ehren halten wie ich.«
    Sie drehte sich um. Gus folgte ihr zur Tür, doch sie schaute nicht zurück. Caroline ging, und er ließ sie ziehen.
    Als sie außer Sicht war, schlug Gus wie in Trance den Weg zum Oval Office ein, änderte dann aber die Richtung. In seinem Kopf herrschte ein zu schreckliches Chaos, als dass er jetzt vor den Präsidenten hätte treten können. Er ging auf die Herrentoilette, wusch sich das Gesicht und schaute in den Spiegel. Er sah einen dünnen Mann mit großem Kopf, hellbraunem Haar und braunen Augen. Er war kein besonders gut aussehender Bursche, aber die Frauen mochten ihn, und Caroline liebte ihn.
    Zumindest hatte sie ihn eine Zeit lang geliebt.
    Er hätte sie nicht gehen lassen dürfen. Wie hatte er zusehen können, als sie einfach davongegangen war? Er hätte sie überreden sollen, ihre Entscheidung aufzuschieben, noch einmal darüber nachzudenken, noch einmal mit ihm zu reden. Vielleicht wäre ihnen gemeinsam eine Alternative eingefallen. Doch tief in seinem Inneren wusste Gus, dass es keine Alternative gab. Bestimmt hatte Caroline das alles schon überdacht. Wahrscheinlich hatte sie nachts wach gelegen, während ihr Mann neben ihr schlief, und hatte sich die Sache immer wieder durch den Kopf gehen lassen. Und bevor sie hierhergekommen war, hatte sie eine endgültige Entscheidung getroffen.
    Gus musste auf seinen Posten zurück. Amerika befand sich im Krieg. Aber wie sollte er Caroline aus seinen Gedanken verdrängen? Die Vorstellung, ein Leben ohne sie führen zu müssen, war ihm unerträglich. Was sollte er tun?
    Ein Beamter kam auf die Toilette, und Gus trocknete sich die Hände ab und kehrte auf seinen Posten im Arbeitszimmer neben dem Oval Office zurück.
    Kurz darauf brachte ein Kurier ihm ein Telegramm des amerikanischen Konsuls in Veracruz. Gus blickte darauf. »Oh nein!«, stieß er hervor. Da stand:
    VIER UNSERER MÄNNER GEFALLEN – STOP – ZWANZIG VERWUNDET – STOP – FEUERGEFECHTE UM DAS KONSULAT – STOP.
    Vier Männer waren getötet worden, vier gute Amerikaner mit Müttern und Vätern, Ehefrauen oder Freundinnen. Angesichts dieser Nachricht sah Gus seine eigene Situation aus einer ganz neuen Perspektive. Wenigstens leben Caroline und ich, dachte er.
    Er klopfte an die Tür des Oval Office und reichte Wilson das Telegramm. Der Präsident las es und wurde kreidebleich.
    Gus beobachtete ihn aufmerksam. Wie Wilson sich jetzt wohl fühlte? Schließlich waren die Männer aufgrund einer Entscheidung gestorben, die er selbst mitten in der Nacht getroffen hatte.
    Das alles hätte nicht geschehen dürfen. Die Mexikaner wünschten sich Freiheit von einer tyrannischen Regierung. Sie hätten die Amerikaner als Befreier feiern sollen. Was war da schiefgegangen?
    Bryan und Daniels kamen ein paar Minuten später, gefolgt von Kriegsminister Lindley Garrison, der für gewöhnlich weit kampfeslustiger war als Wilson, sowie Robert Lansing, Berater des Außenministeriums. Die Männer versammelten sich im Oval Office und warteten auf weitere Neuigkeiten.
    Der Präsident war angespannter als eine Geigensaite. Blass, rastlos

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