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Sturz in den Tod (German Edition)

Sturz in den Tod (German Edition)

Titel: Sturz in den Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Gebert
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richtig gewesen wäre,
um über das viele Bargeld in Frau Bergmanns Wohnung zu reden.
    Wenn es außer ihrem Sohn jemanden in Frau Bergmanns Leben gegeben
hatte, dann musste sie mit ihm kommuniziert haben. Aber wie? Nina sah auf das
Telefontischchen. Das kleine Büchlein, in dem Frau Bergmann ihre Nummern
notiert und das Nina beim Staubwischen jedes Mal hochgehoben hatte, lag nicht
mehr dort.
    Nina nahm den Hörer ab. Sie drückte auf die Wahlwiederholungstaste.
Es klingelte.
    »Schöne«, sagte ein Mann am anderen Ende.
    Nina hielt den Atem an.
    »Hallo!«, sagte dieser Schöne. »Wer ist da?«
    Nina sah die Nummer auf dem kleinen Display des alten Telefons. Sie
musste sie abschreiben, doch sie kam mit der kurzen Schnur nicht an einen Stift
heran. Sie legte auf, rannte ins Wohnzimmer, nahm einen alten Briefumschlag und
einen Stift.
    Zittrig drückte sie noch einmal die Wiederholungstaste. Wieder
erschien die Handynummer. Der Mann am anderen Ende drückte den Anruf sofort
weg. Nina steckte den Zettel mit der Telefonnummer ein. Sie musste schleunigst
die Wohnung verlassen! Später würde sie noch einmal von einer Telefonzelle aus
die Nummer anrufen. Bis dahin würde ihr etwas einfallen, wie sie den Fremden in
ein Gespräch verwickeln und über sein Verhältnis zu Frau Bergmann befragen
konnte. Verhältnis? Vielleicht war dieser Herr Schöne nur der Getränkehändler,
der der alten Dame regelmäßig Wasserkisten gebracht hatte, oder ihr Masseur.
Irgendetwas sagte Nina, dass es nicht so war. Sie würde den Namen im
Online-Adressregister von Travemünde eingeben. Mal sehen, wie viele Schönes es
gab.
    Sie ging zur Tür und sah durch den Spion. Auf dem Flur kein Mensch.
Plötzlich fiel es ihr ein. Vielleicht hatte Frau Bergmann eine Nachricht, eine
Telefonnummer, irgendetwas Geheimnisvolles unter ein Möbelstück geklebt. Nina
sah unter dem Tisch nach. Nichts. Unter den Stühlen, hinter der Kommode,
nichts. Sie rückte die wenigen Bücher ab, in der Hoffnung, dass sich dahinter
etwas verbarg. Zwischen verschiedenen Ausgaben des Reader’s Digest befand sich
eine alte Ausgabe von »Lady Chatterley«. Nina hatte irgendwann in den letzten
Jahren den Film gesehen und wusste, dass das Buch in den fünfziger Jahren für
einen Skandal gesorgt hatte. Sie blätterte es durch. Das Papier war gelb und
rau, Seiten lösten sich aus dem geklebten Rücken. In der Mitte steckte ein
Briefumschlag. Es lagen mehrere zusammengefaltete Seiten darin. Datiert vor
einigen Wochen.
    Nina las und begriff. Frau Bergmann hatte nicht nur einen Sohn.
Sondern auch eine Tochter.
    ***
    Alexander Bergmann saß immer noch in seinem Mercedes, den
er auf dem Parkplatz vor der Maritim-Residenz geparkt hatte. Er startete erneut
den Motor und sah noch einmal durch die Frontscheibe zur Wohnung seiner Mutter
hinauf. Er schaltete den Motor wieder aus, lehnte sich im Sitz zurück und hatte
plötzlich das Gefühl, dass etwas Unheilvolles auf ihn zukommen werde. Dass die
schreckliche Geschichte noch nicht vorbei war, sondern nun vielleicht erst
richtig begann.
    Alexander stieg aus, schloss das Auto ab und machte sich auf in
Richtung Mole. Der Wind zerrte an seinem Jackett. Alexander Bergmann bemerkte,
dass ihm der Kiefer von der ständigen Anspannung wehtat. Er verspürte das
Bedürfnis, mal wieder richtig tief ein- und auszuatmen, blieb stehen und tat
es. Am Strandspielplatz tobten ein paar kleine Kinder. Alexander Bergmann
setzte sich auf eine Bank auf der Mole. Er sollte längst zurück in Hamburg
sein, zurück in der Firma, zurück bei seiner Frau. Niemand wusste, dass er hier
war. Wie es auch die vorherigen Male niemand gewusst hatte. Manchmal hatte er
nur in der Nähe seiner Mutter sein wollen, in der Nähe seiner Kindheit. Dann
war er am Meer spazieren gegangen, immer Ausschau haltend, dass er seine Mutter
nicht zufällig traf, und hatte sich, bevor er nach Hamburg zurückfuhr, eine
kleine Muschel oder einen Stein vom Strand in die Tasche seines Jacketts
gesteckt, wie zum Beweis vor sich selbst, dass er hier gewesen war.
    Manchmal war er auch mit dem Segelboot hinausgefahren, das jeden
Sommer im Jachthafen lag. Seit Alexanders Vater tot war, wurde es kaum noch
bewegt. Seine Mutter konnte nicht allein segeln. Alexanders Frau bestieg kein Boot,
weil sie sofort seekrank wurde. Alexanders Tochter hatte schon lange kein
Interesse mehr daran, mit ihrem Vater zu segeln. Das Boot kostete Monat für
Monat Liegegebühren und wurde von einem kleinen Bootsbauer jährlich

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