Sturz in den Tod (German Edition)
Dicht vor Romys Füßen machten die Enten halt. Romy
verließ ihren Platz und wechselte auf die andere Straßenseite. Dann sah sie
ihre Mutter kommen, erneut sehr elegant gekleidet. Elisabeth Bergmann ging auf
das Café zu, sah sich suchend um und wählte einen Tisch, der abseits des
Hauptbetriebes aufgestellt worden war. Sie setzte sich, langte nach der Karte,
legte sie gleich darauf wieder weg und sah auf die Uhr. Den Gruß eines älteren
Mannes, der vorbeiging, erwiderte sie reserviert. Danach holte sie aus ihrer
Tasche eine Sonnenbrille und setzte sie auf. Sie rückte ihren Stuhl so hin,
dass sie mit dem Rücken zum Gehweg saß, auf dem zunehmend mehr Leute an den
Schaufenstern der Geschäfte entlangflanierten.
Romy trat die Zigarette aus und ging an den Tisch
ihrer Mutter.
Mit einem »Hallo« zog sie einen der Stühle nach
hinten und setzte sich.
Ihre Mutter sah sie durch die Brille an. »Wir
hätten uns lieber woanders treffen sollen.«
»Möchtest du woanders hingehen?«, fragte Romy
eilig.
»Nein, es war ja meine Idee. Ich hatte nur keine
Ahnung, dass um diese Zeit schon so viele Leute unterwegs sind. Wir sitzen
zufällig zusammen und unterhalten uns. Es wird niemand darauf kommen, wer du
bist.«
Romy nahm die Karte.
»Such dir etwas aus, ich lade dich ein«, sagte
ihre Mutter.
Romy legte die Karte weg.
»Du brauchst mich nicht einzuladen.«
Der Kellner kam und stellte sich mit fragendem
Blick an den Tisch.
»Einen Kaffee bitte«, sagte Romy.
Elisabeth Bergmann bestellte grünen Tee. Die
beiden Frauen saßen schweigend da und sahen in verschiedene Richtungen.
Irgendwo auf der Promenade begann ein Männerchor russische Lieder zu singen.
Die Getränke kamen in Kännchen. Romy nippte an ihrem viel zu heißen Kaffee.
Elisabeth Bergmann nahm vom braunen Zucker und rührte lange in ihrer Tasse. Das
Geräusch machte Romy noch nervöser. Ihre Mutter trank einen Schluck, setzte die
Tasse ab und sah sie an.
»Weißt du, was verrückt ist?«
Romy schüttelte den Kopf.
»Du siehst ihr sogar ein bisschen ähnlich.«
»Wem?«
»Romy!«
Romy verstand nicht. Die Mutter stellte die Tasse
ab und sagte, als wäre Romy dumm: »Romy Schneider!«
Romy war noch nie auf die Idee gekommen, dass
zwischen ihr und Romy Schneider eine Ähnlichkeit bestehen könnte.
Elisabeth Bergmann fixierte sie. »Ach, ich fand
die so toll. Eine so schöne Frau. Als Sissi, unglaublich.«
»Deshalb hast du mich so genannt?«, fragte Romy.
Ihre Mutter zog die Schultern hoch, nahm die
Tasse und trank mit abgespreiztem Finger einen weiteren Schluck.
»Und dich hast du auch Romy genannt, wegen Romy
Schneider«, fügte Romy hinzu.
Elisabeth Bergmann zuckte zusammen, und etwas Tee
landete auf ihrem weißen Rock. Sie stellte die Tasse ab und strich über den
nassen Fleck.
»Das hast du also auch rausbekommen?«
Romy steckte sich eine Zigarette an. »Ich möchte
eigentlich nur wissen, weshalb du mich nicht behalten hast.«
Bis heute Morgen hatte sie ihrer Mutter noch
vorwerfen wollen, dass sie sie ins Heim abgeschoben hatte. Und jetzt? Tat ihr
diese fremde Frau, die ihre Mutter war, etwa leid?
Elisabeth Bergmann sah angewidert zu, wie Romy
den Rauch der Zigarette inhalierte.
»So viele Jahre später. Wozu?«
»Weil du mir das schuldig bist!«
»Das war doch eine ganz andere Zeit. Es war das
Beste so. Für alle«, sagte Elisabeth Bergmann.
»Für dich vielleicht. Für mich nicht!«
»Dafür kann ich nichts. Sie haben mir damals
versprochen, dass es dir gut gehen wird, da in diesem Heim.«
»Aber du hast nie kontrolliert, ob sie ihr
Versprechen hielten.«
»Das habe ich für dich getan. Damit du mich gar
nicht erst kennenlernst. Dich nicht an mich erinnerst. Deshalb bin ich auch
nicht zu Besuch gekommen. Du warst doch noch so klein damals. So wäre es das
Einfachste für dich, war ich mir sicher.«
Romy lachte auf. »Du meinst, das Einfachste für
dich!«
Ihre Mutter sah an ihr vorbei.
Romy steckte sich eine weitere Zigarette an. »Das
ist schon toll, wie du das hinbekommen hast! Aus den Augen, aus dem Sinn. Bis
heute.«
Elisabeth Bergmann wedelte mit der Hand den Qualm
weg, den Romy gedankenlos in ihre Richtung geblasen hatte. Sie holte aus der
Handtasche ihr Portemonnaie hervor und winkte den Kellner heran.
»Belassen wir es dabei.«
Romy holte ebenfalls ihr Portemonnaie hervor.
»Ich würde schon gern noch wissen, wer mein Vater
ist!«
»Ach Gott«, sagte Elisabeth Bergmann, und in
ihrer Stimme war wieder dieses
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