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Sturz in den Tod (German Edition)

Sturz in den Tod (German Edition)

Titel: Sturz in den Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Gebert
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Süßigkeit hier, einen Lippenstift dort. Immer nur in
Travemünde, wo sie und die Schuld zu Hause waren. In Hamburg wäre sie nie auf
die Idee gekommen. Nun war Nina zurück.
    Sie stand vor dem Schaufenster von Bijou Brigitte, das eine
Verkäuferin gerade umdekorierte. Bis eben war der meiste Modeschmuck, der
auslag, noch blau gewesen, jetzt wurde es eine bernsteinfarbene Auslage. Nina
betrat den Laden. Ketten, Ringe, Armreifen, alles war nach Farben sortiert. Nur
echtes Silber und Vergoldetes lag hinter Glas in Vitrinen.
    Nina probierte einen Ring hier, einen Armreif dort. Die Verkäuferin
war darauf konzentriert, einer alten Dame ein Ohrloch zu stechen. Danach war
die kleine Enkelin dran, die sich nun ein Vorbild an der tapferen Oma nehmen
sollte, die den kurzen Schmerz ohne mit der Wimper zu zucken über sich hatte
ergehen lassen und nun einen Ohrstecker mit einer Pfauenfeder im blutenden
Ohrläppchen trug. Nina steckte sich einen Ring mit schwarzen Strasssteinen auf
den Finger und legte ihn zurück. Sie probierte den nächsten, nahm dann den
vorherigen und umschloss ihn in ihrer Hand, während sie den anderen vom Finger
nahm und demonstrativ zurücklegte. Sie schlenderte zu den Ketten an der Wand,
betrachtete die eine und die andere. Es war, als würde der Ring in ihrer Hand
zu glühen beginnen.
    »Nichts gefunden?«, fragte die Verkäuferin an Nina gerichtet,
während sie dem kleinem Mädchen, das sich tapfer eine Träne aus dem Auge wischte,
einen rosa Glitzerstein am Ohrläppchen befestigte.
    »Leider nicht«, antwortete Nina und verließ betont langsam das
Geschäft. Draußen schien ihr grell die Sonne ins Gesicht. Ein paar Möwen
kreischten. Nina bog eilig in die Gasse, die von der Vorderreihe weg in die
Kurgartenstraße führte. Den Ring in ihrer Hand ließ sie in ihre Tasche gleiten.
Es ging ihr gut, seit sie ihn genommen hatte. Glaubte sie.
    ***
    Jan stand am Ende der Gasse zwischen PM- Kneipe und Rollator-Laden. Er beobachtete Nina, als
sie die Auslagen im Schaufenster des noblen Secondhand-Geschäftes in der
Kurgartenstraße betrachtete. Mehrmals strich sie ihre langen blonden Locken
nach hinten, die ihr der Wind kurz darauf wieder ins Gesicht wehte. Sie tat es
mit dieser Geste, die Jan an ihr liebte, seit er sie kannte. Wie sie dort
stand, sah sie so aus wie das Mädchen, in das er sich vor etwa fünfzehn Jahren
verliebt hatte, in das er jetzt wieder verliebt war.
    Jan hoffte, dass Nina ebenso fühlte, doch er spürte, wie sehr sie
sich dagegen sträubte. Er fragte sich ständig, weshalb sie das tat. Spielte sie
mit ihm? Nur wenn sie miteinander schliefen, dann spielte Nina nicht. Einmal
hatte sie danach gesagt: »Es ist, als wärst du nie aus meinem Leben
verschwunden gewesen.«
    Jan hatte geantwortet: »Ich war immer in deiner Nähe.«
    Nina hatte ihn geküsst und war mit ihrem Kopf an seinem Hals
eingeschlafen. Jan hatte noch lange wach gelegen und über das Gesagte
nachgedacht. Er fürchtete den Morgen, an dem Nina ihm vielleicht wieder fremd
vorkommen würde. So wie vorhin auf dem Weg ins Büro, als er sah, wie sie in der
Vorderreihe das Modeschmuckgeschäft betrat. Als er beobachtete, wie sie einen
Ring stahl. Jan hatte sich hinter einem Postkartenständer des nebenan liegenden
Buchladens verborgen, als sie den Laden verließ. Dann folgte er ihr in sicherer
Entfernung. Er sah, wie sie den gestohlenen Ring in ihre Tasche gleiten ließ.
    Nun betrat sie den Secondhand-Laden. Jan befürchtete, dass sie auch
dort stehlen wollte. Jeder Diebstahl wurde heutzutage zur Anzeige gebracht.
Gleichgültig, ob es sich um einen Ring für zehn Euro oder eine
Secondhand-Tasche von Gucci für Hunderte Euro handelte. Weshalb stahl sie?
Hatte sie das Geld in Frau Bergmanns Wohnung vielleicht doch genommen?
    Er betrat den Laden, als hätte er keine Ahnung, dass Nina auch darin
war. Nina probierte gerade eine kurze Jeansjacke an und war vertieft in ein
Gespräch mit der Verkäuferin. Diese berichtete aufgeregt von dem mysteriösen
Einbruch, den es hier vor einigen Nächten gegeben hatte. Gegen drei Uhr, wie
die Polizei inzwischen vermutete, weil ein Anwohner durch das Scheppern eines
Metalltores aus dem Schlaf gerissen worden war. Die Einbrecher hatten nur durch
ein enges rückwärtiges Bürofenster, das sie zunächst aufbohren und aufhebeln
mussten, in den Laden gelangen können. Dieses Fenster im typischen Travemünder
Altbaustil war so schmal, dass ein Erwachsener kaum hindurchpasst. Außerdem
hatten sie beim

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