Sturz in den Tod (German Edition)
Ausschalten der Alarmanlage versehentlich die Kabel mehrerer
Lampen durchtrennt und mussten von da an ihre Tat im Dunkeln begehen.
Es gibt es also doch, das Verbrechen in Travemünde, dachte Jan mit
einem Anflug von Sarkasmus. Sollten die Einbrecher gefasst werden, könnte er
als Anwalt sie eventuell vor Gericht verteidigen. Er könnte auf
Unzurechnungsfähigkeit plädieren, denn die Diebe schienen ziemlich dumm zu
sein. So hatten sie eine Menge hochwertiger Taschen und Kleider geklaut, doch
von den edelsten Schuhen von Armani, Tod’s oder Jil Sander immer nur den linken
mitgenommen. Das ganze Zeug mussten sie einzeln aus dem schmalen Fenster
hieven, weil keine größeren Kartons oder Taschen hindurchpassten. Die
Verkäuferin verstand nicht, dass niemand gesehen haben wollte, wie in der Nacht
mehrmals hintereinander Männer mit Armen voller Klamotten und Schuhen durch die
Kurgartenstraße rannten.
Nina legte der Frau die Jeansjacke über den Arm.
»Nehme ich.«
Die Verkäuferin eilte zur Kasse.
»Ich bin gleich bei Ihnen«, rief sie Jan zu, der in der
Herren-Abteilung stand.
»Was machst du denn hier?«, fragte Nina überrascht.
Sie zog einen Fünfzig-Euro-Schein aus der Tasche und legte ihn auf
den Tisch.
»Auf dich aufpassen«, antwortete Jan.
Die Verkäuferin legte die Jacke in eine pinkfarbene Papiertüte.
»Man hat ja nun auch ständig Angst, dass die Einbrecher
wiederkommen. Ich meine, was wollen die mit diesen ganzen einzelnen Schuhen
anfangen? An Einbeinige verkaufen? Ich möchte nicht allein hier im Laden sein,
wenn die wiederkommen …«
Nina nahm dankend die Tüte entgegen und verabschiedete sich.
»Ich glaube nicht, dass die wiederkommen«, sagte Jan im Gehen, »die
haben sich ziemlich blöd angestellt, die werden nicht noch mal ein solches
Risiko eingehen.«
Die Verkäuferin nickte dankbar.
»Spionierst du mir nach?«, empfing Nina Jan auf der Straße.
»Quatsch!«, entgegnete er eilig. »Die haben hier auch gute Sachen
für Männer, da schaue ich manchmal. Aber ich freue mich, dass ich dich
getroffen habe. Lass uns irgendwo hingehen, wo es schön ist, wo wir bei dem
Wetter draußen sitzen können. Ich lade dich zum Essen ein.«
»Das brauchst du nicht.«
»Ja, ich weiß. Die Terrasse vom Columbia würde ich gut finden.«
»Fisherman’s«, sagte Nina.
Auf dem Weg zum Fisherman’s redeten sie darüber, dass der Einbruch
im Secondhand in der Nacht stattgefunden hatte, als sie in der PM- Kneipe waren. Hatten Nina und Jan die Kneipe
verlassen, gerade als sich der Einbruch ereignete? Hätten sie etwas bemerken
können? So betrunken, wie sie waren?
Bei Fisherman’s waren zu Ninas Enttäuschung fast alle Tische
besetzt. Sie setzte sich mit Jan an einen der gerade frei gewordenen
Einzeltische, der auf dem langen Steg zur Trave stand. Während Jan umständlich
die Karte studierte, wusste Nina bereits, was sie essen würde: den Strandteller
mit zwei Sorten fangfrischem Fisch, zwei Sorten Kartoffelsalat und Salatbeilage
für elf Euro neunzig. Sie empfahl Jan, es ihr nachzumachen, und hoffte, dass er
tatsächlich die Rechnung übernahm, denn mit den fünfzig Euro, die sie
mitgenommen hatte, hatte sie ihre Jacke bezahlt.
Nina räumte beinahe die gesamte Tasche auf dem Tisch aus, bis sie endlich
ihre Zigaretten und ihr Feuerzeug fand. Dabei förderte sie auch den Ring aus
dem Modeschmuckladen zutage. Sie steckte ihn auf ihren Ringfinger. Sie zündete
sich eine Zigarette an und räumte die Tasche wieder ein. Die Kellnerin kam mit
den Getränken und zwei Tellerchen.
»Ein Gruß aus der Küche.«
In zwei kleinen Schalen war Krabbensalat angerichtet.
Nina betrachtete ihren Ring.
»Weißt du schon, wann die Testamentseröffnung sein wird?«
»Direkt nach der Seebestattung. Am siebten Juli.«
Das Essen kam und sah gut aus, wie immer.
Nina drückte die Zigarette aus und nahm das Fischbesteck. Sie
schnitt mit dem Messer die große Erdbeere auf ihrem Salat klein.
Zwei Spatzen platzierten sich auf dem Geländer des Steges, offenbar
in der Hoffnung, dass etwas für sie abfallen werde.
»Ich will dabei sein«, sagte Nina.
»Wobei?«
»Bei der Testamentseröffnung.«
»Das geht nicht!«
Nina warf den Spatzen ein Stück Kartoffel auf den Steg. Die Vögel
stritten sich darum, bis schließlich einer mit dem Futter davonflog.
»Doch, das geht!«, sagte Nina. »Ich bin deine Mitarbeiterin. Schon
vergessen?«
Jan hielt ihrem Blick stand. »Einen schönen Ring trägst du da. Ist
der neu?«
Nina
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