Sturz in die Vergangenheit
paar energische Schlenker mit dem Kochlöffel, schließlich gab er ihn an den Jungen weiter. „Und stell dich gefälligst auf einen Schemel, damit du weit genug hinaufreichst.“
„Seid Ihr Wilmar, der Oberkoch?“ Matthias, keine Ahnung davon, wie gebührlich oder ungezwungen es in mittelalterlichen Burgküchen zuzugehen hatte, beschloss, lieber vorsichtig zu sein. Wegen Unhöflichkeit Zorn auf sich zu ziehen, wollte er nun wirklich nicht riskieren.
Wilmar, der ihn offensichtlich nicht hatte kommen sehen, zuckte zu ihm herum, musterte ihn einen Moment. Dann zog er die Augenbrauen hoch. „Wer will das wissen?“
„Mattis.“ Dieser neigte den Kopf und deutete eine Verbeugung an. Als er sich jedoch wieder aufrichtete, sah er, dass Wilmars Augenbrauen noch immer hochgezogen waren. Es lief also irgendwie falsch. „Mattis von München“, erweiterte er seine Vorstellung rasch.
Da nickte Wilmar befriedigt. Matthias atmete auf. Er hatte es also richtig gemacht!
„Mattis von München, was wollt Ihr von mir?“
Ich will Lid- äh Mila befreien, die Junker Johann hierher verschleppt hat . „Gangolf, Wolfgangs Sohn, schickt mich“, begann er zögernd.
„Gangolf?“ Wilmars Stimme war plötzlich in schrille Höhen geschraubt. Doch dann senkte er sie sofort wieder, nicht ohne sich dabei hektisch umzusehen. „Gangolf lebt?“
„Er lebt nicht nur, er ist sogar hier und hungrig wie ein Bär.“ Auch Matthias hatte die Stimme gesenkt. „Am liebsten hätte er Kapaun. Mit Bärlauch.“
Wilmar strahlte auf. „Wo ist er? Ist er wieder gesund?“
Als er Matthias' Kopfschütteln bemerkte, fiel sein Gesicht schnell wieder zusammen.
„Gangolf ist auf dem Bettlerhof. Er ist zwar nicht gesund, wenn man aber davon absieht, geht es ihm gut.“
Wilmar wich einen entsetzten Schritt zurück. „Wenn Ihr ihn kennt – habt Ihr ebenfalls Aussatz?“
„Aber nein“, beschwichtigte Matthias hastig. „Ich traf ihn erst, als er schon auf dem Weg hierher war. Für das Versprechen, ihm zu einer ausgiebigen Mahlzeit zu verhelfen, hat Gangolf mir den Weg gewiesen.“
„Ich komme das bestellte Essen holen.“
Wie ertappt zusammenzuckend, fuhr Wilmar herum und fauchte. „Adelinda, was schleichst du dich heran? Lauschst du etwa?“
„Oh nein, Vater“, beteuerte diese und errötete tief. Sie warf Matthias einen kurzen Seitenblick zu. „Ich habe Herrn Mattis hierher geführt, weil er nach dir gefragt hat und ich den gleichen Weg hatte.“
„Da vorn. Nimm noch Brot mit“, knurrte Wilmar und wies mit dem Kinn zu einem der Tische. „Aber verschütte die Suppe nicht.“
„Oh nein.“ Adelinda lief hin, schnappte sich das Tablett mit den abgedeckten Schüsseln, legte eines der danebenliegenden Brote dazu und war wenige Momente später aus der Küche verschwunden.
„Jugend und Neugier lauscht. Sie ist beides.“ Wilmar schnaubte noch einmal, schüttelte den Kopf, dann wandte er sich erneut an Matthias. „Aber nun erzählt von Gangolf.“
Drei unverfängliche Sätze später, in denen er versicherte, sich Gangolf nicht genähert zu haben, war er bereits fertig. Dass er über ihn gestolpert war, hatte er geflissentlich ausgelassen.
„Viel ist es ja nicht gerade“, seufzte Wilmar. „Aber ich gebe dir Essen für ihn. Kapaun hab ich leider nicht. Dafür Wildschwein, das mag Gangolf auch. Mit jeder Menge Bärlauch. Ich mache ein Paket fertig. Kommt einfach auf Eurem Rückweg wieder hierher, dann gebe ich es Euch.“
Und während er Matthias zur Tür geleitete, flüsterte er ihm zu. „Sagt ihm, dass sein Vater nicht mehr lebt. Dass er schon lange Blut gehustet hat, weiß er ja. Dann hat er sich noch am Bein verletzt. Zusammen mit der Kälte im letzten Winter war das zu viel.“
Matthias fand sich auf dem Burghof wieder, noch ehe er auf den Gedanken gekommen war, dass auch er Fragen hatte, die nun unbeantwortet geblieben waren. Er sollte also sofort umkehren, um Wilmar endlich zu fragen, wo Johanns Gefangene zu finden war.
„Pst!“
Matthias hob den Kopf. War er damit gemeint?
„Pst!“
Er entdeckte eine winkende Hand und einen blonden Haarschopf. Adelinda stand neben dem Eingang einer Hütte, in die sie, nach einem letzten verschwörerischen Blick in seine Richtung, soeben verschwand. Rasch ging Matthias hinüber und betrat den düsteren Raum.
„Ihr kennt Gangolf?“, wurde er sogleich überfallen.
Adelinda stand da, die blauen Augen weit aufgerissen, und starrte ihn atemlos an. „So sagt doch, seid Ihr mit ihm
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