Sturz in die Vergangenheit
gekommen?“
Matthias konnte ihr leider nicht mehr berichten als Wilmar. Tränen rannen über ihre Wangen, als er mit seiner kurzen Erzählung fertig war.
„Sie haben ihn vertrieben. Er musste sich von seiner Familie lossagen und dann haben sie ihn von der Burg gejagt, obwohl er völlig gesund ausgesehen hat“, brach es bitter aus ihr heraus. „Ich hätte ihn doch gepflegt. Aber ich durfte nicht.“
„Es geht ihm gut“, beteuerte Matthias sofort. „Aber er darf die Burg nicht betreten, nur den Bettelhof. Ihr könnt Euch vorstellen, dass er sehr hungrig ist.“
„Vater wird ihn versorgen“, nickte Adelinda sofort und sehr eifrig. „Sagt Gangolf, er soll sich in der Nähe verstecken, nur nicht wieder fortgehen. Ich werde schon einen Weg finden, ihm jeden Tag Essen zu bringen.“
„Das ist sehr freundlich von Euch.“ Matthias war gerührt von der Fürsorge des Mädchens – und ihrer offensichtlichen Liebe zu Gangolf. „Aber Ihr wisst, dass Ihr ihn nicht berühren dürft, oder? Er hat wirklich eine Krankheit, die sich auf Euch übertragen kann.“
Nun flossen ihre Tränen in Strömen. Dennoch nickte sie. „Wie sieht er aus?“, fragte sie unter Schluchzern.
„Unversehrt.“ Matthias versuchte, zuversichtlich zu klingen. „Schmutzig, jung, unbekümmert, er wirkt noch immer völlig gesund.“
„Das ist gut“, seufzte Adelinda und trocknete mit dem Zipfel ihrer Schürze das Gesicht. Dann schien sie sich auf ihren Auftrag zu besinnen und deutete auf das Tablett, das sie auf einem Holzpflock abgestellt hatte. „Könntet Ihr hier warten? Ich muss schnell das Essen wegbringen.“ Sie wies auf den niedrigeren der Türme. „Wenn es kalt ist, wird Junker Johann schimpfen.“
„Junker ... Ihr geht zu Johann?“ Matthias war wie elektrisiert.
„Nun ja, genaugenommen nicht“, schränkte Adelinda schnell ein. „Junker Johann ist nicht immer da.“
„Aber Mila?“, fragte Matthias.
„Woher wisst Ihr das?“ Jetzt stand Entgeisterung in dem hübschen Gesicht. „Und was wollt Ihr von Mila?“
Doch Matthias verlor keine Zeit. Er schnappte sich das Tablett. „Zeigt mir den Weg, ich bringe es hin.“
„Das darf ich nicht“, jammerte Adelinda. „Junker Johann ...“
„Gangolf“, sagte Matthias nur. „Was wolltet Ihr noch gleich, dass ich ihm ausrichte?“
Da seufzte Adelinda. „Dort drüben ist der Eingang. Aber direkt dahinter ist eine Wachstube. Ich habe keine Ahnung, was Ihr machen könnt, um da unbeobachtet vorbeizukommen, Mila ist nämlich ganz oben.“ Sie zog Matthias das Tablett wieder aus der Hand. „Johann kommt zwar nur am Abend, aber Ihr werdet auch jetzt nicht hineingelangen.“
Hurtig nahm er ihr das Tablett wieder ab. „Ich muss es zumindest versuchen.“
Doch ihr gestöhntes: „Selbst ich komme nicht hinauf bis zu Mila. Das Essen muss ich immer unten bei der Wache abgeben“, bremste ihn aus. Widerstandslos diesmal ließ er sich das Tablett abnehmen.
„Wartet hier.“
Er hörte sie davonhuschen, die Tür hinter sich schließen.
Verdammt, was konnte er tun? An bewaffneten Wachen einfach vorbeizumarschieren, schied ganz eindeutig aus. Er war hier im Mittelalter, da wurde nicht lange gefackelt, gedroht oder vorgewarnt. Ein Stoß mit einer Lanze, einem Schwert oder ein abgeschossener Pfeil – selbst wenn er eine Verletzung zunächst einmal überleben sollte, ohne Antibiotika würde es das dann wohl gewesen sein.
„Da bin ich wieder“, riss ihn eine sich sehr drängend anhörende Stimme aus seinen Gedanken. Adelinda berührte ihn scheu, aber nachdrücklich an der Schulter. „Lasst uns zu Gangolf gehen.“
Als sie sein Widerstreben bemerkte, fügte sie eilig hinzu: „Er kennt sich hier gut aus. Mit ihm können wir besser beratschlagen, wie Ihr zu Eurer Mila gelangen könnt. Aber zuerst brauchen wir Essen.“
Obwohl sichtlich in Aufruhr, dachte sie dennoch ganz pragmatisch an Essen für einen halbverhungerten Bettler. Nun ja, immerhin war sie in den Jungen verliebt und wollte nichts lieber, als sich um ihn zu kümmern.
Wie auch er das gerne für Lid-Mila ... Ach was, weg damit!Außerdem würde ihm eine Mahlzeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt selbst ganz gelegen kommen.
Wilmar hatte wirklich schon ein stattliches Lebensmittelpaket zusammengeschnürt, das er Matthias verstohlen reichte. Er nickte noch einmal in seine Richtung, dann lief er laut fluchend auf einen der Küchenhelfer zu. „Hab ich dir nicht gesagt, dass du immer in eine Richtung rühren musst? Das
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