Sturz in die Vergangenheit
bezeichnendes Geheul aus und machte sich über die Abfälle her. Mit bloßen Händen schaufelten sie sich in ihre hungrigen Münder, was auch immer sie vom Boden aufhoben oder loskratzten. Niemand mehr beachtete Matthias. Also nichts wie weg hier.
Diesmal registrierte er den schwächer werdenden Gestank mit Wohlwollen, als er, so schnell es der Durchgang erlaubte, davonlief.
Er eilte gleich weiter zu Adelinda hinter die Büsche. „Wir müssen von hier verschwin...“ Überrascht von der Szene, die sich ihm hier bot, blieb er stehen.
Das Mädchen kniete mit schmerzvoll verzogenem Gesicht auf dem Boden und hatte beide Hände vorgereckt. Zu Gangolf, der erstarrt direkt vor ihr stand.
„Tu's nicht!“ Matthias lief zu Adelinda, riss sie auf die Beine und zog sie ein Stück zurück, weg von Gangolf.
Das schien den wie hypnotisiert auf Adelinda starrenden Jungen wieder zur Besinnung zu bringen.
„Nein“, sagte er tonlos und wandte sich an Matthias. Anklagend presste er heraus. „Warum hast du sie mitgebracht?“
Gleichzeitig weinte Adelinda lauthals los: „Warum denn nicht? Ich will lieber ebenfalls verstoßen werden, als ohne dich zu sein.“ Wieder reckte sie ihre Arme Gangolf entgegen. „Bitte, lass mich zu dir.“
„NEIN!“ Es war Matthias, der das Machtwort sprach. „Er kann dir den Tod bringen. Du begnügst dich damit, ihn anzusehen.“
„Er hat recht“, nickte nun auch Gangolf, sah dabei aber sehr elend aus. „Du musst gesund bleiben.“
„Ehe wir weiterreden, sollten wir von hier verschwinden.“ Matthias griff nach dem Essensbündel, packte Adelinda an der Hand.
„Ich gehe nicht ohne ihn.“ Sie entzog sich ihm und blieb stehen, die Arme trotzig vor der Brust verschränkt.
„Sollst du doch gar nicht“, fauchte Matthias und warf Gangolf einen grimmigen Blick zu. „Aber falls du ihn noch einmal berühren willst, schleif ich dich in den Hof dort drüben, damit du siehst, was dann auf dich wartet. Hast du mich verstanden?“
Adelinda schien keine Ahnung zu haben, womit Matthias drohte, und schüttelte den Kopf. Doch der hatte keine Zeit für nähere Erklärungen. „Wir reden nachher weiter. Jetzt erst mal weg hier.“ Er winkte Gangolf, doch der hatte schon verstanden.
Nachdem sich Adelinda davon überzeugt hatte, dass er ihnen folgte, kam sie willig mit.
Matthias wollte schnell so viel Abstand wie möglich zwischen sich und die schrecklichen Gestalten im Bettelhof bringen. Und so hielt er erst an, als sie wieder im steil abfallenden Wald angekommen waren.
„Verdammt“, fluchte er lauthals, ließ Adelinda endlich los und wandte sich an den Jungen. „Wo hast du gesteckt? Die Aussätzigen in dem Hof hätten mich beinahe gefressen!“
„Haben sie das gesagt?“ Gangolf grinste übers ganze Gesicht.
„Nun ja, sie haben es angedeutet“, schränkte Matthias, von Gangolfs Reaktion überrascht, vorsichtshalber ein. „Sie waren damit beschäftigt, festzulegen, wer meine Kleidung und wer meine Haare bekommen sollte.“
„Und Gundelindis wollte dich?“
„Hast du gelauscht?“ War er etwa nicht in Gefahr gewesen? Mit einem Mal kam sich Matthias lächerlich vor.
„Ein Spiel mit den Neuen. Sehr wirkungsvoll.“ Gangolf grinste breit übers ganze Gesicht.
Matthias, der genau das am liebsten kräftig aufpoliert hätte, ballte die Fäuste.
„Sie vertreiben damit Gesunde, trennen sozusagen die kranke Spreu vom gesunden Weizen.“ Der Junge wirkte von Matthias' Drohgebärde nicht im Mindesten beeindruckt. Gelassen fügte er hinzu: „Sie hätten dir nichts getan. Außerdem scheinst du vergessen zu haben, dass du viel schneller laufen kannst als diese Krüppel.“
„Witzbold“, knurrte Matthias. „Sie hatten mir den Weg abgeschnitten. Wenn nicht in dem Moment der Abfallkübel ...“
„Ah, Abendessen, das hat sie natürlich abgelenkt“, nickte Gangolf in Richtung Burg. „Arme Kreaturen. Müssen für jeden fauligen Mist dankbar sein.“
Dabei schien er völlig vergessen zu haben, dass er selbst zu diesen Kreaturen gehörte, lediglich durch ein paar Monate, vielleicht ein, höchstens zwei Jahre von ihnen getrennt.
Matthias wankte kurz, plötzlich war ihm enorm schwindelig.
„Lasst uns was essen“, sagte er schnell. Sicher war er nur völlig unterzuckert, hatte heute bisher nur einen Schluck Wasser gehabt.
Sie rasteten auf einigen Felsbrocken, breiteten das Essen auf dem größten aus. Gewürztes Fleisch, Brot, Würste und ein dickes Stück Käse.
Während sie aßen,
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