Sturz in die Zeit: Roman (German Edition)
eingeschlafen, stimmt’s?«, fragte sie.
Ich lächelte zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit. »Nein, ich schwöre, dass das hier real ist.«
Sie kam einen Schritt näher und begutachtete mit gerunzelter Stirn genauestens mein Gesicht. »Du … siehst aus wie mein Bruder. Nur … älter.«
Ich lachte. »Und ich dachte, du würdest dich auf dem Absatz umdrehen und wegrennen.«
»Das kann durchaus noch immer passieren«, murmelte Courtney.
Sie berührte meine Wange und tätschelte sie sanft. »Verdammt, du bist es wirklich. Du musst es sein.«
»Wann hast du mich zuletzt gesehen? Meine jüngere Version?«
»Vor vier Tagen. Du bist auf einem Baseball-Camp in Colorado.« Sie griff nach meiner Kappe und zog das Preisschild ab.
»Dad hat eben am Kiosk direkt neben mir gestanden. Ich musste aufpassen, dass er mein Gesicht nicht sieht.«
»Du kannst also wirklich durch die Zeit reisen?«
Ich nickte.
Wir starrten uns noch eine Minute gegenseitig an, dann fragte sie schließlich: »Willst du mir das nicht alles ein bisschen genauer erklären, ich meine, so unter dem wissenschaftlichen Aspekt? Das klingt nämlich alles ganz schön irre.«
»Gut, okay. Ich werd’s versuchen.« Wir ließen uns einander zugewandt unter dem Baum nieder. Courtney reagierte wesentlich ruhiger, als ich erwartet hatte. »Also, das Jahr 2009 ist meine Gegenwart, okay?«
»Ja«, sagte Courtney.
»Aus irgendeinem Grund kann ich aber nicht dahin zurück. So als hätte sich das Universum um zwei Jahre in die Vergangenheit verschoben. Seit zwei Tagen springe ich nun schon andauernd zurück ins Jahr 2007.«
Ihre Augen weiteten sich. »Aber warum? Und wie hat es funktioniert, bevor sich das Universum verschoben hat oder so was?«
Ich hielt den Blick gesenkt und rupfte kleine Grashalme aus. »Ich weiß nicht, warum. Aber vorher bin ich immer nur ein oder zwei Stunden zurückgesprungen, manchmal auch ein paar Tage. Und am Schluss bin ich immer wieder am Ausgangsort gelandet, so als wäre ich nie weg gewesen.«
»Woher weißt du denn überhaupt, welche deine Zeit ist?«, fragte sie.
»Ich habe so etwas wie eine Homebase. Und die Zeitreisen sind wie eine Art Bumerang. Ich werde irgendwo hingeworfen und kehre dann wieder zurück. Und wenn ich mich in anderen Jahren aufhalte, wie jetzt zum Beispiel, fühle ich mich wie ein Schatten meiner selbst. Und nichts, was ich während eines Sprungs tue, verändert irgendwas in meiner Homebase.«
»Gar nichts?«
Ich schüttelte den Kopf. »Bislang nicht.«
Ihr Blick fiel auf einen in der Nähe vorbeiradelnden Mann. »Wenn du eine Pistole hättest und diesen Typen da erschießen würdest, würde er drei Jahre später in der Zukunft also noch leben?«
»Ich glaube schon, aber ich habe nicht vor, es auszuprobieren.«
»Das ist wie in Und täglich grüßt das Murmeltier «, sagte Courtney, während sie über meine Schulter spähte.
»Was?«
»Na, wie der Film, wo dieser Typ immer wieder und wieder denselben Tag erlebt. Er versucht sich umzubringen, indem er einen Toaster in die Badewanne fallen lässt, wacht dann aber doch wieder am selben Tag auf.«
»So habe ich es noch nicht betrachtet, aber das ist ein guter Vergleich.«
»Kannst du von hier aus auch in ein anderes Jahr reisen, wie 1991 zum Beispiel?«
»Nein, ich muss erst wieder zurück.«
»Warum?«
»Ich weiß es nicht, aber so ist offenbar die Regel. Wenn ich jetzt versuchen würde, fünf Jahre zurückzugehen, wäre ich, wenn ich die Augen aufschlüge, wieder auf der Toilette in diesem Diner im Jahr 2007.«
Sie schüttelte seufzend den Kopf. »Mann, ist das seltsam.«
»Du sagst es.« Mein Kopf arbeitete weiter im Analyse-Modus. Adams Einfluss. »Weißt du, was wirklich seltsam ist?«
»Was?«, fragte Courtney.
»Als ich das Jahr 2009 verlassen habe, fühlte es sich anders an als sonst. So als wäre ich federleicht. Normalerweise fühlt es sich an, als würde ich in zwei Teile gerissen. Und auch jeder Versuch, wieder nach vorn zu springen, seit ich im Jahr 2007 hängen geblieben bin, hat sich angefühlt, als würde ich in zwei Teile gerissen.«
»Also hat es sich nur einmal anders angefühlt, und jetzt hat sich dein Universum verschoben.« Sie runzelte die Stirn und spielte offenbar verschiedene Theorien durch. Schließlich schüttelte sie den Kopf und lächelte. »Das ist doch verrückt. Hast du irgendeinen Beweis aus der Zukunft?«
Ich verdrehte die Augen. »Was denn, soll ich dir die Lottozahlen verraten oder so was?
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