Sturz in die Zeit: Roman (German Edition)
Ihnen?«
»Super, aber ich dachte, du wärst für ein Halbjahr in Spanien?«
Das war die Stelle, an der ich nicht vergessen durfte, wer ich war.
AKTUELLE IDENTITÄT: Siebzehnjähriger Schüler, der eigentlich in Spanien sein sollte, wo er ein Auslandssemester verbringt, aber stattdessen mitten in der Woche allein in einem Restaurant in Manhattan sitzt.
»Ich bin früher zurückgekommen.«
Sie setzte sich auf die Bank gegenüber. »Wahnsinn, wie viel älter du nach einem Sommer aussiehst.«
Ich lachte nervös. »Das liegt an dem ganzen San Miguel. Von dem Bier kriegt man ordentlich Brusthaare.«
Sie lachte laut auf, und die Brille mit den dicken Gläsern rutschte ihr ein Stück die Nase runter. »Ich hoffe, du hast auch all die tollen spanischen Weine probiert.«
»Klar, jeden Tag eine Flasche.«
Sie lachte erneut. »Das kann nicht stimmen. Aber sag mal … heißt das, dass ich dich bald wieder durch die Gänge unserer schönen Privatschule schlurfen sehe?«
Ich unterdrückte den angewiderten Ausdruck, der sich sofort auf meinem Gesicht ausbreiten wollte. In diese Schule bringen mich keine zehn Pferde zurück.
»Wahrscheinlich nicht. Ich überlege, ob ich statt des Schulabschlusses nicht lieber den Eignungstest fürs College machen soll. Die Leute auf der Highschool bin ich irgendwie leid.« Die Kellnerin brachte mein Essen, und ich nahm die Gabel und spießte eine Spargelstange auf. »Ich hab meinem Dad ein Ultimatum gestellt: Entweder Wechsel zu einer staatlichen Schule oder dieser Test. Er tendiert eher zu Letzterem.«
»Staatliche Schulen sind gar nicht so schlecht. Ich hab eine besucht, und schau, was aus mir geworden ist«, sagte sie.
»Hab ich ihm auch gesagt.« Mein Blick sank auf den Teller vor mir.
»Du wirkst bedrückt. Ist alles in Ordnung?«
Ich nickte. »Das ist nur der Jetlag. Ich bin erst vor ein paar Stunden angekommen, und für mich ist es zwei Uhr morgens.«
Das war von der Wahrheit gar nicht weit entfernt. Tatsächlich hatte ich nämlich zwei Tage lang kaum geschlafen. Aber in diesem Jahr waren natürlich erst wenige Stunden vergangen.
Dieses blöde, verdammte Jahr.
»Tut mir leid, das zu hören. Nun ja … ich geh dann besser mal wieder zu meiner Verabredung.« Sie wies mit dem Kopf auf einen Mann, der allein an einem Tisch saß und seine Zähne mit einem Löffel untersuchte. Sie beugte sich vor und flüsterte: »Das ist das letzte Mal, dass ich es mit einer Partnervermittlung im Internet versuche.«
»Sie können ja so tun, als hätten Sie plötzlich Magenschmerzen … oder eine Lebensmittelvergiftung.«
Bevor sie sich umdrehte, lächelte sie mich an. »Pass auf dich auf, Jackson.«
Grinsend wartete ich, bis sie sich abgewandt hatte, dann schaute ich wieder auf das neben mir liegende Tagebuch. Ich machte mich daran, gewissenhaft die Details meines letzten Ausflugs festzuhalten, und war so in andere Zeiten vertieft, dass ich überhaupt nicht bemerkte, dass die Kellnerin vor mir stand und mit dem Fuß auf den Boden tippte.
»Entschuldigung, haben Sie was gesagt?«
»Alles in Ordnung mit Ihrem Essen?«
Ich schaute auf den inzwischen kalten Lachs. Der Fischgeruch war widerlich. »Ja, alles gut. Könnte ich bitte die Rechnung haben?«
Sie legte sie vor mir auf den Tisch. »Soll ich das für Sie einpacken?«
»Äh … nein, danke.«
Der Teller verschwand zusammen mit der Kellnerin. Der Gedanke, Reste mit mir herumzuschleppen, bekam jetzt, wo mir all diese Zeitreisentheorien im Kopf herumschwirrten, eine ganz neue Bedeutung. Genau über solchen Blödsinn hätte ich mit Adam stundenlang philosophiert, während wir Guitar Hero spielten und uns Whiskey reinlöteten. Ich hätte damit angefangen, und Adam hätte den Gedanken zwanzig Schritte weitergetrieben, als mein Hirn je zu begreifen imstande wäre.
Fragen wie: Wenn ich es geschafft hätte, ins Jahr 2009 zurückzukommen, und meine Restebox bei mir gehabt hätte, wäre der Lachs dann zwei Jahre alt gewesen? Oder: Wenn ich wieder in die Vergangenheit gereist wäre, hätte der Fisch dann noch in der Box gelegen? Strenggenommen wäre er dann ja noch nicht auf der Welt gewesen. Kann ein Lebewesen in eine Zeit reisen, die vor seiner Geburt liegt?
Und dann hätten wir es ausprobiert, wenn wir gekonnt hätten.
Es war schwierig, Pläne zu schmieden, ohne dass Holly oder mein Vater davon Wind bekamen. Holly merkte es immer sofort, wenn ich ihr nicht die ganze Wahrheit auftischte oder völligen Unsinn erzählte. Jetzt würde ich
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