Sturz in die Zeit: Roman (German Edition)
lächelte mich an, während ich auf meine Bank rutschte. »Und? Schon was ausgesucht?«
Ich zeigte auf das erste Gericht oben links auf der Speisekarte, ohne überhaupt nachzusehen, was es war. »Ich nehme das da.«
»Gegrillten Lachs mit Gemüse der Saison?«
Ich zuckte mit den Schultern und nickte, aber in dem Moment, als sie sich umdrehen wollte, fiel mir etwas ein.
»Warten Sie! Ich wollte noch fragen … Haben Sie vielleicht eine Tageszeitung von heute?« Auch wenn es eigentlich müßig war – ich wollte sichergehen.
»Natürlich, bin sofort wieder da.«
Ich klopfte nervös mit den Fingern auf die Tischplatte, während ich auf die Information wartete, die ich schon kannte. Sie legte die Zeitung vor mich hin, und ich stöhnte auf, kaum dass ich einen Blick darauf geworfen hatte. September. 2007.
Immer das Gleiche. Jetzt schon achtzehn Mal. Es war halb neun Uhr abends. Ein paar Minuten später, aber das war’s auch schon. So lange hatte ich mich bisher noch nie in der Vergangenheit aufgehalten.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte die Kellnerin.
»O ja, entschuldigen Sie. Ich bin nur enttäuscht, dass die letzte Vorstellung von …« – mein Blick flog über die Schlagzeilen – » Annie ausfällt. Ich liebe dieses Musical.«
Die Kellnerin wickelte sich eine lose Haarsträhne um den Finger und verlagerte ihr Gewicht aufs andere Bein. »Äh … ja … Ihr Essen müsste bald fertig sein.«
Da Adams Stimme durch meinen Kopf hallte, holte ich das Tagebuch aus der Tasche. Diese ganze Sache war mal ein Spaß gewesen. Eine Art Abenteuer. Aber mit jedem fehlgeschlagenen Versuch, Holly zu retten, bekamen Adams Worte eine tiefere Bedeutung.
»Du musst alles dokumentieren, und zwar minutiös.«
»Warum?«
»Na, erstens damit du weißt, wie alt du wirklich bist. Und zweitens damit du weißt, ob du irgendwas verändert hast. Und drittens für den Fall, dass du es vergisst.«
Ich veränderte nichts. Nie. Aber ich schrieb trotzdem alles auf, und zwar unter Verwendung von Adam Silvermans genialem System. Als ich es zum ersten Mal – nur nebenbei – aufgeschrieben hatte, hatte ich noch laut gelacht, als handelte es sich um eine Packliste fürs Ferienlager. Bei meinen vorherigen Aufzeichnungen, die sich auf meine Sprünge in die zwei Tage zurückliegende Vergangenheit bezogen, hatte ich einen Großteil dieser Punkte gar nicht ausgefüllt. Weshalb ich die Liste auch nie ernst genommen hatte. Jetzt dagegen schon.
ZEITREISEN-PRIORITÄTEN-CHECKLISTE
Schritt 1: Ermittle aktuellen Tag/aktuelle Uhrzeit:
9. September 2007, 20 Uhr 30
Schritt 2: In der vorherigen Zeit verbrachte Minuten:
(1. Juli 2004)
165 Minuten
Schritt 3: Ermittle aktuelles Alter von dir selbst, deinen Freunden und deiner Familie:
Jackson Meyer (das jüngere Ich): 17 Jahre alt
Kevin Meyer: 42 Jahre alt
Adam Silverman: 16 Jahre alt
Holly Flynn: 17 Jahre alt
Courtney Meyer: verstorben
Schritt 4: Leg dir eine Tarnung oder aktuelle Identität zu
(je nachdem):
Mein jüngeres Ich müsste bis Dezember in Spanien sein. Ich schlüpfe fürs Erste in die Identität meines 17-jährigen Ich, da unsere Wege sich offenbar nicht kreuzen können. Nur für den Fall, dass ich mit jemandem in Kontakt komme, den ich kenne.
Schritt 4: Ruf dir die Basics in Erinnerung
(aktuelle Ereignisse, aktueller Technologie-Standard …):
Wenn ich erwähne, dass ›Lost‹ demnächst abgesetzt wird, könnte das einen Aufruhr auslösen. Lass nie jemanden dein Handy sehen.
Ich ging noch mal alles durch, was passiert war, um nicht ins Schwimmen zu kommen, was die Fakten betraf. Nach meinem Absprung aus dem Jahr 2009 landete ich gegen sechs Uhr morgens am 9. September 2007. Jetzt ging es auf neun Uhr am Abend zu, doch alle meine Versuche, mich vorwärtszubewegen, dauerten inzwischen schon fast drei Tage. In meiner Homebase vergeht nur sehr wenig Zeit, während ich auf einer Zeitreise bin. Aber das Gefühl, eine superheftige Grippe auszubrüten oder so was, war komplett neu. Und nur in diesem Jahr 2007 ging es mir körperlich so schlecht. Wahrscheinlich weil ich es hasste, darin festzuhängen. Karma. Oder vielleicht lag es auch an den vielen Sprüngen, die ich hinter mir hatte. Womöglich kriegte ich davon Hirnerweichung oder irgend so einen Mist.
»Jackson Meyer! Bist du’s wirklich?«, rief plötzlich jemand und riss mich aus meiner trüben Stimmung.
Als ich aufschaute, stand meine Lieblingsspanischlehrerin vor mir. »Miss Ramsey, wie geht’s
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