Sturz in die Zeit: Roman (German Edition)
Ich hole dich hier raus, und dann fahren wir in deine Wohnung, wo du mir dein Verhalten der letzten Tage erklären wirst. Ich habe eine lange Liste mit Fragen. Aber kein Wort über was auch immer, solange wir hier in dieser Einrichtung sind, verstanden?«
»Äh … wer sind Sie?«, fragte ich.
»Miss Stewart«, antwortete sie mit selbstgefälliger Miene.
» Miss Stewart? Wie alt sind Sie denn, zwanzig?« Sie sah nicht mal aus wie zwanzig. Eher wie achtzehn oder vielleicht neunzehn. Irgendetwas stimmte nicht, und ich hatte zu diesem Zeitpunkt keinen Grund, irgendjemandem über den Weg zu trauen. Selbst wenn das bedeutete, dass ich auf dieser Pritsche im Gefängnis bleiben musste. Als würde das noch irgendetwas ausmachen. 2007 war ohnehin schon ein Gefängnis für mich.
»Meinen Vornamen verrate ich anderen Leuten nur ungern.«
»Wo ist mein Vater? Ich habe ihm eine Nachricht hinterlassen.«
Sie wühlte in ihrer Handtasche herum und zog einen Zettel heraus, den sie mir überreichte. Es handelte sich um ein Fax, aber das trug eindeutig die Handschrift meines Vaters.
Jackson,
bitte tu genau das, was Miss Stewart dir sagt, sonst machst du alles nur schlimmer. Sie arbeitet für mich und weiß sehr gut, wie man vertrauliche Angelegenheiten regelt, ohne dass die Medien davon Wind bekommen. Wir reden später.
Dad
Ich stopfte den Zettel in meine Tasche, doch sie riss ihn sofort wieder raus.
»Aber was arbeiten Sie denn für meinen Vater?«, fragte ich.
»Sekretärin«, sagte sie.
»Ach, tatsächlich?« Ich schüttelte den Kopf und stand auf. »Was soll’s.«
Sie verließ die Zelle und wartete nicht mal ab, um zu sehen, ob ich hinterherkam. So als dächte sie, dass jeder Mann, der seine fünf Sinne auch nur halbwegs beisammen hatte, ihr überallhin nachlaufen würde. Zu dumm für sie, dass ich meine fünf Sinne nicht mal annähernd beisammen hatte. Aber Dads Nachricht konnte ich schlecht ignorieren.
Ich seufzte und trottete mit bleischweren Beinen und einem komischen Gefühl in der Magengrube hinter ihren klackernden Stilettos den Gang entlang. Als wir am Empfang vorbeikamen, tippte einer der Beamten an seinen Hut. »Wir bitten vielmals um Entschuldigung für das Missverständnis, Mr Meyer«, sagte er.
Ich setzte zu einer höflichen Antwort an, doch Miss Stewart zischte mir »Antworte ihm nicht« ins Ohr. Dann stapfte sie in Richtung Tür und rief über ihre Schulter: »Er erwartet einen förmlichen Entschuldigungsbrief. Und vergessen Sie auch die anderen Abmachungen nicht, die wir getroffen haben.«
Andere Abmachungen?
Ich drehte mich um, um ihnen irgendetwas Nettes zu sagen, doch die »Sekretärin« meines Vaters packte mich am Arm und zerrte mich in die kalte Nachtluft hinaus.
»Das war unhöflich. Die haben doch nur versucht …«
Sie hielt mir mit der Hand den Mund zu. »Habe ich dir nicht ganz genaue Instruktionen erteilt?«
Ich verdrehte die Augen und folgte ihr zu einem vor der Polizeiwache geparkten Wagen. Meinem Wagen. Nun ja, jedenfalls dem, den Cal, unser Chauffeur, zu fahren pflegte. Während wir darauf zusteuerten, überlegte ich, ob ich vor dieser Frau davonrennen sollte, beschloss dann aber, dass es nicht besonders klug wäre, das genau vor der Polizeiwache zu tun, aus der ich gerade gegen Kaution freigekommen war. Auf dem Weg zu unserer Wohnung sagte keiner ein Wort.
Ich war zu sehr von dem Gedanken in Anspruch genommen, dass ich tatsächlich nach Hause fuhr. Allerdings zu einer 2007er-Version meines Zuhauses. In Wirklichkeit war ich, als ich das erste Mal im Jahr 2007 gelebt hatte, an diesem Tag nie in unserer Wohnung gewesen. Ich war in Spanien. Ich bin immer noch in Spanien. Das andere Ich. Nur dass ich gleichzeitig auch hier war.
Es war vollkommen bizarr, dieses jüngere Ich zu sein. Der Jackson in Spanien war noch nicht einmal volljährig. Er durfte nicht wählen und wusste noch nicht genau, was er nach dem College machen wollte. Dies war eine völlig neue Erfahrung. Und bislang keine angenehme.
Aber was am schwersten in meinen Kopf ging, war, dass ich vielleicht noch eine ganze Weile hier bleiben würde.
Als wir an unserem Haus ankamen, sprang Miss »Sekretärinnenzicke« direkt hinter mir aus dem Wagen, und ich wirbelte zu ihr herum. Das war alles schon merkwürdig genug, auch ohne dass diese merkwürdige Tussi an mir klebte. »Ist nicht nötig, dass Sie mit hochkommen. Ich warte, bis mein Vater nach Hause kommt. Danke für Ihre Hilfe.«
»Süß, echt.« Sie schob sich an
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