Sturz ins Glück
erkannte eine schön gebundene Shakespeareausgabe. Bei dem anderen Buch handelte es sich zweifelsohne um eine Bibel.
„Ich lasse sie hier liegen, um mir immer wieder vor Augen zu führen, dass Erfolg Opfer bedeutet.“
Gerade wollte sie ihre Hand nach den Büchern ausstrecken, aber im letzten Moment konnte sie sich zurückhalten. Sittsam faltete sie die Hände in ihrem Schoß und hoffte, dass Mr Westcott nicht merkte, dass sie sich dabei fast die Blutzufuhr abschnürte.
„Ich kann verstehen, dass die Bibel von Opfern spricht“, dachte sie laut nach, „aber Shakespeare? Ich befürchte, ich sehe da keine Verbindung.“
Sein Lächeln bewies, dass sie ihn ertappt hatte. „Sie haben mich erwischt. Die Wahrheit ist bei Weitem nicht so edel, wie ich es habe klingen lassen. Diese Erinnerung ist mehr physischer als philosophischer Natur.“
„Wie das?“
„Dieses Buch war mein Begleiter in den zwei Jahren, in denen ich Schafe von Kalifornien nach Texas getrieben habe.“
„ Sie haben Schafe getrieben?“
„Schwer zu glauben, nicht wahr?“
Adelaide schluckte. Schon wieder waren ihr Worte entschlüpft, die sie am liebsten wieder eingefangen hätte. Die Überraschung musste ihr ihre Manieren geraubt haben. Sie versuchte zu retten, was zu retten war. „Ich meinte nicht … Ich wollte nicht andeuten, dass Sie …“
Er wischte ihre gestammelte Entschuldigung mit einer Geste beiseite, während seine Augen tanzten. „Manchmal kann ich es selbst kaum glauben und dabei war ich doch persönlich dabei.“
Hitze stieg in ihr auf. Warum dachte sie nicht nach, bevor sie anfing zu reden? Sie biss sich auf die Zunge, bevor sie noch mehr ungebührliche Dinge sagte. Leider sorgte ihr Zögern dafür, dass die Unterhaltung abriss und sie einige Augenblicke in peinlichem Schweigen verbrachten. Endlich hatte Mr Westcott den Gesprächsfaden wiedergefunden.
„Ich bin der jüngste von drei Brüdern und immer so etwas wie ein Herumtreiber.“ Er nahm die Bibel und blätterte durch die raschelnden Seiten. „Meine Mutter hat gehofft, ich würde in die Fußstapfen ihres Vaters treten und Pfarrer werden. Ich habe es eine Zeit lang in Erwägung gezogen, mich dann aber dagegen entschieden. Irgendetwas hat mich zurückgehalten.“
„Wie sind Sie nach Texas gekommen?“
„Gerüchte.“
Sie wartete auf weitere Erklärungen, aber er saß einfach nur da und grinste sie an. Dieser Schuft. Er wollte sie dazu bringen, ihrer Neugier nachzugeben und ihn weiter auszufragen. Bestimmt war er früher derjenige von den drei Brüdern gewesen, der die anderen neckte, bis ihnen der Kragen platzte, ohne dass er selbst den Ärger bekam. Zusammen mit seinen unwiderstehlichen Grübchen hatte er bestimmt eimerweise Krokodilstränen zum Einsatz gebracht.
„Sie haben Ihre Brüder zur Weißglut gebracht, als Sie jung waren, nicht wahr?“
Peinlich berührt merkte Adelaide, dass ihr Kommentar völlig unpassend war, wenn man keine Gedanken lesen konnte. Im Moment war sie auf dem besten Wege, sich um eine Anstellung zu bringen, die sie noch nicht einmal angetreten hatte. Doch Gideon schien ihr ohne Probleme folgen zu können. Er starrte sie nicht verständnislos an, sondern seine Augen funkelten weiter verschmitzt.
„Ich habe jede Gelegenheit genutzt, die ich bekommen habe.“
Sie musste lächeln. Endlich lenkte er das Gespräch wieder zurück auf das ursprüngliche Thema.
„Es hatte sich herumgesprochen, dass man hier in Amerika mit geringen Investitionen große Gewinne erwirtschaften kann. Man müsste einfach nur Land kaufen, es mit Tieren besiedeln und könnte sich dann vor Reichtum kaum retten.“
„Sagen Sie mir nicht, dass Sie diesen Unfug geglaubt haben.“
Er zuckte mit den Schultern. „Nun, ich war klug genug zu vermuten, dass es doch mit einem gewissen Arbeitsaufwand verbunden sein würde, aber es hat sich einfach zu gut angehört, um die Gelegenheit verstreichen zu lassen. Mein Vater gab mir glücklicherweise nur unter einer Bedingung seinen Segen. Er würde mich anfangs finanziell unterstützen, aber nur, wenn ich die Schafzucht von Grund auf lernen würde. Ich habe eingewilligt, ohne zu wissen, was für ein harter Lehrer die Erfahrung sein kann. Aber im Endeffekt hat es sich ausgezahlt.“
Er legte die Bibel aufgeklappt zurück auf den Tisch. Adelaide konnte die kleine Schrift von dort, wo sie saß, nicht lesen, aber sie erkannte eine 23 und vermutete, dass es sich um den entsprechenden Psalm handelte.
„Ich hatte keine Ahnung,
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