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Sturz ins Glück

Sturz ins Glück

Titel: Sturz ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Witemeyer
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bin.“
    Ihr leises Lachen, als sie beiseiterutschte, um ihm Platz zu machen, beruhigte ihn. Er streckte ein Bein aus und stützte seinen Arm auf dem anderen ab. Ein sanftes Rosa trat auf ihre Wangen, als er sie anlächelte, aber sie wandte sich nun wieder ihrer Bibel zu und erinnerte ihn daran, warum er selbst hierhergekommen war.
    Er griff in seinen Mantel und holte seine Taschenbibel hervor. Er blätterte eine Weile darin herum, konnte sich aber beim besten Willen nicht konzentrieren. Schließlich wandte er den Blick zur Seite, um den gelben Stoff neben sich nicht mehr die ganze Zeit zu sehen – und vor allem nicht die Person, die das Kleid so wunderbar schmückte. Doch dann wehte eine leichte Brise Miss Proctors Duft zu ihm. Er atmete tief ein, um ihr feminines blumiges Parfüm zu genießen, bis ihm auffiel, dass er sich an kein einziges bisher gelesenes Wort erinnern konnte.
    Schließlich drehte Gideon Miss Proctor seinen Rücken zu und beugte sich tiefer über die Bibel. Dann hörte er plötzlich nichts außer ihrem ruhigen, gleichmäßigen Atem, das sanfte Rascheln ihres Kleides, das leise Knistern der Seiten, wenn sie blätterte.
    Belästigung! Gideon sprang auf, sodass Zweige und Kiesel lautstark unter seinen Stiefeln knirschten. Miss Proctor fuhr erschrocken zusammen.
    „Verzeihung.“ Gideon ging ein paar Schritte in Richtung Fluss. „Ich kann mich einfach nicht konzentrieren.“
    „Das kann ich verstehen“, sagte sie hinter ihm. „Ich bin sicher, dass Sie viel auf dem Herzen haben.“
    Er ließ sich auf diese Ausrede ein. „Sie haben recht. Das habe ich. Das Scheren beginnt nächste Woche und wir müssen alles vorbereitet haben, bis die Männer hier eintreffen. Bellas Zustand geht mir nie aus dem Kopf. Und als wäre das nicht schon genug, geht auch noch ein Vandale um, der meine Zäune beschädigt.“
    Das Rascheln ihres Kleides verwirrte seine Gedanken erneut, als Miss Proctor sich bewegte, doch er hielt seinen Blick stur geradeaus gerichtet.
    „Wissen Sie, wer der Täter war?“
    „Nein. Wahrscheinlich ein gewissenloser Cowboy, der mir sagen will, dass Zäune nicht ins offene Weideland gehören.“
    „Gewissenloser Cowboy?“ Etwas in ihrer Stimme hatte sich verändert. Sie klang verärgert.
    Gideon wandte sich nun doch um und bemerkte, dass sie auf ihn zutrat.
    „Es tut mir leid, dass jemand Ihren Zaun zerstört hat, Mr Westcott, aber es gibt keinen Grund, voreilige Schlüsse zu ziehen. Es hätte jeder sein können. Ein Landstreicher. Ein Junge, der sich einen Scherz erlauben wollte. Ein hungriger Dieb. Kein Cowboy, den ich jemals getroffen habe, würde den Zaun eines Mannes zerschneiden oder sich in anderer Weise gewissenlos verhalten.“
    „Und kennen Sie viele Cowboys, Miss Proctor?“, fragte Gideon sarkastisch. Aus irgendeinem Grund hatte er keine Lust, einem offenbar bevorstehenden Konflikt aus dem Weg zu gehen. Diese Frau hatte ihn abgelenkt, seit er hierhergekommen war, gerade ziemlich streitlustig.
    Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Tatsache ist, dass mein Vater jahrzehntelang Viehzüchter war. Sie hätten schwerlich einen Mann von größerer Integrität gefunden. Und seine Männer teilten diese Werte.“
    „Ich bin sicher, dass Ihr Vater über jeden Zweifel erhaben war, doch nicht alle Viehzüchter sind das. Sogar in England haben wir von den Landstreitigkeiten gehört, die in den letzten Jahren hier in Texas stattgefunden haben.“
    „Und die meisten wurden durch Einwanderer ausgelöst, die ihre Schafherden auf Land weiden ließen, das Viehzüchtern gehörte.“ Miss Proctor reckte ihr Kinn, unerschüttert in ihrer Loyalität.
    „Sie vergessen die Tatsache, dass die Cowboys die Rinderherden auf dem Weg zu den Märkten über Land trieben, das Schafzüchtern gehörte. Die Tiere fraßen das Gras, soffen die Wasserlöcher leer und zertrampelten die Erde.“
    „Also gab es Schuldige auf beiden Seiten. Das heißt aber nicht, dass Sie wie selbstverständlich Rinderzüchter oder Cowboys für Ihren zerschnittenen Zaun verantwortlich machen dürfen.“
    Gideon ging auf Miss Proctor zu und starrte böse auf sie hinab. Sie wich nicht zurück, sondern hob ihren Kopf noch ein Stückchen höher, um ihm in die Augen schauen zu können.
    „Wissen Sie“, sagte er, „es ist noch nicht zu spät, Miss Oliver zurückzuholen. Ich bin sicher, sie würde eine viel fügsamere Lehrerin abgeben.“
    Im gleichen Moment, in dem die Worte seinen Mund verlassen hatten, bereute er sie auch schon.

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