Sturz ins Glück
Mischung zeigte sich auch in seinem Stall. Er hielt zwei Thoroughbreds für Anlässe, bei denen er repräsentieren musste und für das Rennen, das einmal im Jahr stattfand, aber sein Lieblingspferd war Salomo. Der kastanienbraune Wallach hatte einen sicheren Tritt in schwierigem Gelände und war so klug wie sein Namenspatron – obwohl es nicht einer gewissen Ironie entbehrte, einen kastrierten Hengst nach einem Mann zu benennen, der siebenhundert Frauen gehabt hatte. Doch seine Intelligenz war unbestreitbar. Salomos Instinkte hatten Gideon mehr als einmal vor Raubtieren oder Schlechtwetterfronten gewarnt. Manchmal hatte Gideon sogar den Eindruck, dass sein Pferd verlorenen gegangene Schafe wittern konnte.
Gideon war mit seinen Vorbereitungen fertig und schwang sich in den Sattel. Er tätschelte den Rücken des Pferdes und beugte sich nach vorne, um direkt in Salomos Ohr zu sprechen.
„Fertig, Junge?“
Salomo antwortete, indem er unruhig tänzelte. Gideon lachte und verstärkte seinen Griff um die Zügel. Leicht drückte er dem Wallach die Hacken in die Flanken, der sofort losgaloppierte. Sie jagten in Richtung Fluss.
Rosafarbene Wolkenfetzen hingen am Himmel, während Gideon über endloses Grasland zu fliegen schien. Der kühle Wind umwehte sein Gesicht und weckte seine Lebensgeister. Es war viel zu lange her, seit er sich Zeit genommen hatte, mit dem Herrn allein zu sein. Seine Angewohnheit, jeden Morgen in der Bibel zu lesen, war nach und nach von der vielen Arbeit verdrängt worden, die jeder Tag mit sich brachte. Doch als Miss Proctor die Bibel in seinem Büro angesprochen hatte, war in ihm die Sehnsucht nach Gottes Nähe neu erwacht.
Gideon zügelte Salomo, als er sich der Anhöhe näherte, von der aus man den Fluss überblicken konnte. Er liebte diesen Ort. Das Wasser floss ruhig und beständig an ihm vorbei. Gewaltige Pekannussbäume säumten das Ufer. Hinter dem Fluss erstreckte sich sein Land noch viele Meilen weit in einer Schönheit, die nur ein Besitzer mit Visionen zu schätzen wusste.
Etwas Gelbes zu seiner Rechten zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Er wandte den Blick von der beeindruckenden Aussicht ab, um ihn auf ein im Wind flatterndes Kleid zu richten. Nun, das war ganz offensichtlich eine Schönheit, die jeder Mann zu schätzen wusste. Zarte Züge, volles dunkelbraunes Haar und Augen, die ihn an den Fluss an einem Sommertag erinnerten: blaugrün mit einem wunderbaren Funkeln.
Was denke ich nur? Er wandte sich schnell ab und sah in die andere Richtung. Die Frau war die Lehrerin seiner Tochter, keine Lady der Gesellschaft, um die er sich ernsthaft bemühen konnte.
Gideon überdachte seine Möglichkeiten. Sollte er gehen? Er warf einen Blick zurück zum Fluss. Miss Proctor saß an einen Baum gelehnt, hatte die Beine angezogen und ein Buch darauf liegen. Verträumt starrte sie in die Ferne. Sie schien ihn noch nicht bemerkt zu haben. Noch konnte er unentdeckt verschwinden. Doch wenn sie ihn dabei erwischte, dass er davonritt, ohne mit ihr gesprochen zu haben, würde er äußerst unhöflich erscheinen.
Und ein Gentleman verhielt sich einfach nicht so, egal wie verlockend der Gedanke auch war.
Resigniert seufzend, stieg Gideon ab und ließ Salomo grasen. „Guten Morgen, Miss Proctor.“
Sie wandte sich ihm erschrocken zu, wobei das Buch in den Falten ihres Kleides verschwand.
Er bedachte sie mit seinem besten Lächeln. „Ich hatte nicht erwartet, Sie heute Morgen hier draußen zu treffen.“
„Mr Westcott!“ Ihre Augen wurden groß, als wäre sie beim Silberstehlen erwischt worden. „Mrs Garrett hat gesagt, sie würde sich um Isabella kümmern, falls sie aufwacht und ich noch nicht zurück bin. Aber wenn Sie möchten, dass ich zurückkehre, mache ich das natürlich.“ Schnell schnappte sie sich ihr Buch und wollte aufspringen.
„Bleiben Sie ruhig sitzen, Miss Proctor.“ Er winkte ab. „Ich werde Ihnen Ihre morgendliche Ruhezeit nicht nehmen. Nicht, wo ich doch auf der Suche nach der gleichen Sache war.“
Sie kam seiner Aufforderung nach, doch ein Rest Unsicherheit konnte er nach wie vor in ihren Augen lesen. Nachdem sie ihr Kleid ordentlich gerichtet hatte, lächelte sie zu ihm hinauf. „Sie können sich gerne mit an meinen Baum lehnen, wenn Sie möchten. Die Aussicht ist wunderbar und ich verspreche, dass ich keine lästig plappernde Gesellschafterin sein werde.“
„Danke, Ma’am“, imitierte er in seinem besten Texasslang. „Aber verzeih ’ n Sie, wenn ich eine
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