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Sturz ins Glück

Sturz ins Glück

Titel: Sturz ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Witemeyer
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Der erschrockene Gesichtsausdruck von Miss Proctor drückte ihm das Messer der Schuld nur noch weiter ins Herz.
    Sofort trat er einen Schritt zurück und streckte ihr die Hände entgegen. „Ich meinte es nicht so, es tut –“
    „Nein, nein. Sie haben absolut recht.“ Sie nickte beschämt und senkte den Blick auf den Boden. „Ich habe meine Kompetenzen überschritten und unüberlegt gesprochen. Ich fürchte, ich tue so etwas zu häufig. Es war respektlos und anmaßend von mir und ich kann Sie nur um Verzeihung bitten.“ Sie zögerte, als suche sie nach der Kraft, ihn wieder anzuschauen. Endlich hob sie wieder ihr Kinn. In ihren Augen standen Tränen.
    Wenn Gideon ein Reiter gewesen wäre, der eine Gerte verwendete, hätte er sich in diesem Moment selbst damit geschlagen.
    „Ich bin derjenige, der sich entschuldigen muss, nicht Sie.“ Er hätte am liebsten den Abstand zwischen ihnen wieder überbrückt, doch er hielt sich zurück. „Ich hätte eine solche Drohung niemals aussprechen dürfen. Es war verletzend und völlig unüberlegt. Nach dem, was Sie gestern erreicht haben, würde ich Sie nicht einmal gehen lassen, wenn Sie mich darum bitten würden.“
    Miss Proctor blinzelte. Das war alles. Sie sagte kein Wort.
    Gideon legte eine Hand in den Nacken und ballte die andere so fest zur Faust, dass es schmerzte. Mit einem Seufzen ließ er sie wieder locker.
    „Sie hatten recht, was den Zaun betrifft. Ich weiß nicht mit Sicherheit, wer ihn zerschnitten hat. Ich bin von Rinderzüchtern umgeben, also habe ich eine Vermutung ausgesprochen. Ob ich richtig liege oder nicht, spielt im Moment keine Rolle.“ Er blickte in Richtung Himmel. „Ich habe elf Schafe verloren. Ein paar Mutterschafe sind in eine Schlucht gestürzt und einige Lämmer wurden in der Panik zertrampelt. Deshalb bin ich so wütend auf den Schuldigen.“
    Gideon hielt einen Moment inne, dann wandte er sich wieder Miss Proctor zu. „Als Sie die Rinderzüchter verteidigt haben, hatte ich das Gefühl, als stünden Sie auf deren Seite und rechtfertigten den, der meinen Zaun zerstört hat und für den Tod meiner Tiere verantwortlich ist.“
    „Das ist ja schrecklich. Ich würde eine solche Tat niemals verteidigen oder rechtfertigen. Ich –“
    Gideon erhob seine Hand. „Natürlich würden Sie das nicht. Und jetzt …“ Eine kleine Ansammlung weißer Gänseblümchen neben Miss Proctors Stiefeln erregte seine Aufmerksamkeit. Er grinste und bückte sich nach den zarten Pflänzchen. „Würden Sie meine Entschuldigung annehmen, verehrte Dame, und die gesamte Unterhaltung aus Ihrer Erinnerung streichen?“
    Zu seiner großen Erleichterung lächelte sie wieder, nickte zustimmend und nahm sogar den kleinen Blumenstrauß an. „Danke, Sir, alles ist vergeben.“
    Ihre Augen schimmerten nicht länger feucht vor Tränen, sondern funkelten wieder übermütig. Gideon fand es schwer, den Blick von ihnen zu lösen. In der Nähe schnaubte ein Pferd und brach den Zauber. Eine kleine schwarze Stute hatte sich zu Salomo gesellt.
    „Das ist mein Stichwort“, sagte Miss Proctor, während sie die Blumen in ein Knopfloch ihres Kleides steckte. „Saba gibt mir immer Bescheid, wenn es Zeit ist, zurück an die Arbeit zu gehen.“
    „Saba?“ Gideon konnte das Lachen in seiner Stimme nicht unterdrücken.
    „Machen Sie sich etwa über mein Pferd lustig?“ Miss Proctor verschränkte die Arme gespielt ärgerlich. „Sie entstammt einer der besten Züchtungen in Texas. Mein Vater hat ihr den Namen gegeben, bevor er sie mir zu meinem sechzehnten Geburtstag schenkte.“
    „Es ist ein guter Name“, beeilte sich Gideon zu versichern. „Eigentlich sogar ein sehr guter, wenn man bedenkt, dass mein Pferd Salomo heißt.“
    Ihre Mund klappte auf, bevor sie plötzlich schallend zu lachen begann. Der glockenklare Klang umspülte ihn in einer sanften Welle.
    „Nun, mit einem solchen Namen ist Ihr Pferd bestimmt klug, aber kann es auch laufen?“
    Bevor er etwas erwidern konnte, rannte Miss Proctor zu ihrem Pferd und schwang sich mit beeindruckender Leichtfüßigkeit in den Sattel. Bewundernd starrte er sie einen Augenblick lang an, bevor er merkte, was sie vorhatte, als sie davongaloppierte. Rasch sprang er auf sein eigenes Pferd, um die Verfolgung aufzunehmen.
    Salomos Hufe schlugen dumpf auf die Erde, als der Abstand zu der Stute immer kleiner wurde. Adrenalin schoss durch Gideons Adern und er fühlte sich so lebendig wie lange nicht. Vom Ehrgeiz gepackt, Miss Proctor

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