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Sturz ins Glück

Sturz ins Glück

Titel: Sturz ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Witemeyer
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    Es war knapp eine Woche her, dass Adelaide die Idee für den Empfang gehabt und Isabella begeistert zugestimmt hatte. Die beiden verbrachten Stunden in ihrem Unterrichtsraum und planten den perfekten Abend. Kein noch so kleines Detail entzog sich ihrer Aufmerksamkeit. Die Gästeliste, Einladungen, der Ort, die Unterhaltung und das Menü wurden kritisch überdacht und diskutiert. Adelaide stand mit Rat und Tat zur Seite, wenn es darum ging, Ideen zu entwickeln und Vorschläge einzubringen, doch die endgültige Entscheidung traf Isabella.
    Adelaide sah von ihrem Schreibtisch auf, um zu schauen, wie weit ihre Schülerin war. Isabellas Mund war vor Konzentration verzerrt, als sie ihren Pinsel in die blaue Wasserfarbe tauchte und sich dann wieder dem halb fertigen Himmel auf dem Papier vor sich widmete. Drei ähnliche Bilder lagen zum Trocknen auf den Fensterbänken. Jedes zeigte zwei Schafe – ein dickes, wolliges und ein geschorenes, dünnes mit einem roten W auf der Hüfte. Ein freundlicher Sommerhimmel erstreckte sich über ihnen, doch der Boden unter ihnen blieb frei. Dorthin würde Adelaide die Einladungsworte schreiben, wenn alle Bilder getrocknet waren. Wenn sie weiterhin so fleißig arbeiteten, konnte Isabella den Gästen auf der Liste die Einladung nach dem Abendessen überreichen.
    Adelaide las sich noch einmal die letzte Version des Einladungstextes durch. Sie hatte ihn mittlerweile dreimal umgeschrieben, fand ihn aber immer noch unbefriedigend. Wie erstellte man eine Einladung, die man sowohl einem englischen Gentleman als auch einem Schafhirten überreichen konnte? Darüber hatte sie in ihren Kursen zur Etikette nichts gelernt.
    Das Rascheln von Papier, das durch die Luft geschwenkt wurde, bewahrte sie vor weiteren Grübeleien. Froh über die Ablenkung erhob sich Adelaide, um zu Isabella zu gehen, die gerade ihr letztes Bild zum Trocknen auf die Fensterbank legte.
    „Die sehen alle wunderschön aus, Izzy.“
    Isabella grinste ihre Lehrerin an.
    „Eine für Chalmers und Mrs Chalmers, eine für Mrs Garrett, eine für Miguel und natürlich eine für deinen Vater. Wunderbar.“
    „Pssst!“
    Es waren keine Worte, doch das Geräusch ließ es ihr warm ums Herz werden. Isabella hatte angefangen, ihre eigenen Regeln zu umgehen. Sie hatte gelacht, geseufzt und sogar ein- oder zweimal gejammert. Jetzt spitzte sie die Lippen und zischte. Es waren keine wirklichen Worte, doch ein Ausdruck dessen, was sie fühlte. Adelaides Hoffnungen wuchsen von Tag zu Tag, dass das Kind bald wieder anfangen würde zu sprechen.
    Doch anmerken ließ sie sich ihre Aufregung nicht. Sie tat so, als sei nichts Außergewöhnliches geschehen, und tätschelte die Schulter der Kleinen. „Mach dir keine Sorgen. Die Tür ist geschlossen. Unser Geheimnis ist sicher. Mrs Garrett ist die Einzige, die von unserem Vorhaben weiß, weil ich gestern das Menü mit ihr besprochen habe, aber ich bezweifle, dass sie damit rechnet, selbst eingeladen zu werden. Alle unsere Gäste werden überrascht sein.“
    Isabella zeigte auf die Bilder mit den Schafen und wedelte mit der Hand hinter ihrem Rücken, was normalerweise bedeutete, dass sie fertig war. Dann sah sie Adelaide mit erhobenen Augenbrauen an, um eine Frage anzudeuten. Normalerweise verstand Adelaide genau, was Isabella meinte, doch dieses Mal war sie verwirrt.
    „Willst du wissen, ob du eine Pause machen kannst, bis die Bilder ganz fertig sind?“
    Die Kleine schüttelte energisch den Kopf und runzelte die Stirn. Sie wiederholte die Bewegungen. Fieberhaft suchte Adelaide nach einer weiteren Deutung.
    „Fragst du, ob die Schafschur vorbei ist?“
    Das Mädchen nickte zögernd, aber trotzdem hob sie ihr Kinn und zog ihre Augenbrauen noch höher. Adelaide vermutete, dass sie auf der richtigen Spur war.
    „Ja, die Scherer sind am Montag abgereist, weißt du nicht mehr? Und der Frachtwagen ist gestern losgefahren, um unsere Wolle nach San Antonio ins Warenhaus zu bringen.“
    Isabella stampfte mit einem Fuß auf, als ein Grollen aus ihrer Kehle drang. Wieder tippte sie mit dem Finger auf die Einladung.
    „Etwas wegen des Empfangs?“
    Dafür erntete Adelaide ein Nicken. Und einen weiteren verzweifelten Blick. Isabella dachte bestimmt, dass ihre Lehrerin so begriffsstutzig war wie die Schafe ihres Vaters. Die Schafe … ihres Vaters. Eine Idee blitzte in ihr auf.
    „Wird dein Vater früh genug für den Empfang morgen mit den Schafen fertig sein?“
    Isabella ließ erschöpft den Arm sinken und

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