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Sturz ins Glück

Sturz ins Glück

Titel: Sturz ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Witemeyer
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sie wusste – keine verrückte erste Ehefrau auf dem Dachboden.
    Hm … Doch es musste eine erste Ehefrau gegeben haben und die Erinnerung an sie musste sein Herz noch festhalten. Der Gedanke warf einen unwillkommenen Schatten auf Adelaides romantischen Tagtraum. Isabellas Mutter war erst seit fünf Monaten tot. Da Gideon nie über seine Frau sprach, war es schwer zu erraten, ob er sich noch nach ihr sehnte.
    Adelaide ergriff ihr Kopfkissen und legte es sich aufs Gesicht. Sie musste endlich aufhören, mit dem Kopf in den Wolken herumzulaufen, und sich vielmehr auf das konzentrieren, weswegen sie hier war – der Unterricht für Isabella. Strahlende Helden in Palästen und Schlössern gab es in Märchen, nicht im echten Leben. Und selbst wenn sie für Gideon wie durch ein Wunder mehr als nur die Lehrerin seiner Tochter sein sollte, wäre es ungerecht, ihn mit ausgedachten Charakteren zu vergleichen.
    Doch jedes Mal, wenn sie an ihn dachte, jedes Mal, wenn er sie anlächelte, klopfte ihr Herz schneller. Es fühlte sich anders an als die Schwärmerei eines jungen Mädchens. Und vor allem tiefer als alles, was sie jemals für Henry empfunden hatte. Adelaide fürchtete, dass diese Gefühle nicht einfach auf ihr Kommando hin verschwinden würden. Sie musste sie begraben. Zumindest vorerst. Vielleicht, wenn er eine angemessene Trauerzeit hinter sich hatte …
    Adelaide zog sich das Kissen vom Gesicht und starrte an die Decke. Wie war Gideons erste Frau gewesen? Schön? Adelig? Damenhaft? Hatte sie sich darüber beschwert, ihr Heim in England zu verlassen, oder war sie freiwillig gekommen, um ihren geliebten Ehemann bei seinem Abenteuer zu begleiten? War sie elegant und besonnen gewesen? All das, was Adelaide nicht war?
    Jetzt, wo sie darüber nachdachte, fiel ihr auf, dass es kein einziges Bild von einer Mrs Westcott im Haus zu geben schien. In der Empfangshalle hing ein Bild von Gideons Eltern und auf dem Kamin standen Bilder, die Gideon mit seinen Brüdern zeigte. Es gab auch mehrere Atelieraufnahmen von Isabella, die sie in ihrem jetzigen Alter zeigten. Keine Babybilder, nichts. Hatte Gideon denn alle Erinnerungen an seine Vergangenheit mit seiner Ehefrau verbannt? Hatten sie eine arrangierte Ehe geführt, wie es im Adel Englands heute noch üblich war? Eine Ehe ohne Liebe? Aber selbst dann hätte Gideon doch sicher wenigstens eine Erinnerung an sie aufgehoben.
    Doch plötzlich kam es Adelaide auch seltsam vor, dass Gideon sie immer nur als Isabellas Mutter und nicht als seine Frau bezeichnete.
    Eine verrückte, unbegründete Hoffnung stieg in ihr auf. Jane und Edward hatten die Hindernisse zwischen sich überwinden können. Es war möglich, dass sie und Gideon das Gleiche schaffen konnten. Sie musste nur dafür beten, dass ihr Held nicht zu blind und verletzt war, um sich ihr zuzuwenden.
    Gideon war nach ihrer seltsamen Unterhaltung gestern Abend wunderbar gewesen. Er hatte sie ins Haus geleitet und sie Mrs Chalmers’ Fürsorge übergeben. Miguel musste der Haushälterin gegenüber etwas erwähnt haben, denn sie hatte in der Küche gewartet und schon einen Tee bereitgehabt, als Adelaide hereingekommen war. Gideon hatte heißes Wasser für ein Bad angeschleppt und sie angewiesen, so lange im Wasser zu bleiben, bis sie durchgeweicht war. Mrs Chalmers hatte ihn anschließend aus dem Raum gescheucht, aber nicht, bevor sie entschieden hatte, dass Adelaide am nächsten Tag bis mittags schlafen sollte.
    Sie hatte ihr Bestes gegeben, doch die Uhr auf der Kommode zeigte erst halb elf an. Adelaide erhob sich stöhnend und trat an die Waschschüssel. Nachdem sie sich gewaschen, die Haare gekämmt und ein Kleid angezogen hatte, musterte sie ihr Bild in dem ovalen Spiegel an der Wand. Die Schwellung auf ihrer Wange war zum Glück zurückgegangen. Trotzdem würde Isabella die Verletzungen in ihrem Gesicht sehen. Adelaide berührte vorsichtig den Schnitt an der Unterlippe und zog probehalber den Mund breit. Ein schmerzhafter Stich durchfuhr sie. Das Lächeln würde ihr heute schwerfallen.
    Wenn Mrs Chalmers ihren Wünschen nachgekommen war, kannte Isabella inzwischen eine abgeschwächte Version der Ereignisse von gestern. Adelaide hatte die Haushälterin angewiesen, der Kleinen nur zu erzählen, dass sie am Abend einen Unfall im Pferdestall gehabt hatte, dass es ihr aber gut ging. Zum ersten Mal wäre Isabellas Schweigen ein Segen. Sie würde keine unangenehmen Fragen stellen können. Adelaide wollte aber keinesfalls, dass das

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