Styling deluxe / Roman
Besonderen kennenlernen. Aber ich weiß nicht recht, ob noch jemand Besonderer übrig ist. Die Guten sind frühzeitig weg, und alle Übriggebliebenen haben fatale Mängel«, sagte sie trübselig.
»Na ja, wir alle haben fatale Mängel«, lautete Annies Urteil.
Als sie sich vom Café aus auf den Weg machten, wollte sie Jody zur Sicherheit informieren, dass auf das Umstyling eine Party folgte.
»Hast du gehört, wohin es geht, wenn wir das Outfit für dich gefunden haben?«, tastete sie sich vor.
Jody schüttelte verneinend ihren kurzen adretten Bob.
»Zu diesem wunderbaren Künstlerball in der Tate Modern. Ein großes Ereignis, brechend voll … bestimmt auch ein paar berühmte Gesichter …«
Sie sah Jody an, die nicht lächelte.
Vorsicht!,
ermahnte Annie sich, sie wollte die zweite Klientin schließlich nicht vergraulen.
»Ach, aber dort muss man nicht aufgedonnert erscheinen«, fügte sie rasch hinzu. »Offenbar kommen die Gäste, wie sie wollen. Man kann ein Ballkleid oder zerrissene Jeans mit Graffiti anziehen … oder beides! Es geht um Selbstdarstellung, Jody.«
»Genau.« Jody wirkte unsicher.
Als Annie sie in eine Umkleidekabine bei River Island schickte, stellte Bob seine Kamera ein.
»Ich weiß, es ist schwer«, versuchte Annie Jody zu ermutigen, als sie ängstlich zur Kamera blickte, »aber du musst so tun, als wäre er gar nicht da. Stell dir einfach vor, wir zwei wären allein! Konzentrier dich auf mich und mein Gesicht«, fuhr sie fort. »Ich konzentriere mich auf dich, und wir lassen Bob seine Arbeit einfach im Hintergrund machen.
Gut, häng deine Jacke auf«, wies Annie sie an, »dreh dich um, lass mich sehen, womit ich hier zu arbeiten habe, und sage mir etwas wirklich Wichtiges: Wie wer möchtest du aussehen? Wer ist deine Modeheldin? Wessen Garderobe würdest du am liebsten stehlen?«
»Wessen Garderobe ich am liebsten stehlen würde?«, wiederholte Jody.
»Ja«, erwiderte Annie. »Das ist die beste Hilfe für mich. Ich kann problemlos hier herumlaufen und dir einen Armvoll Kleider bringen, die deiner Figur entsprechen. Aber was ich viel dringender wissen muss, ist, was deinen Vorstellungen entspricht.«
»Falls du leuchtend blaue Hüte und flippige Jodhpurhosen liebst«, sprach Annie weiter, »müssen wir die finden! Aber bitte behaupte nicht, dass du eigentlich nur schwarze Kostüme tragen willst und sonst nichts, denn das sagt nicht genug über dich aus. Das gibt jemandem, dem du zum ersten Mal begegnest, nicht genügend Anhaltspunkte, und Anhaltspunkte sind unverzichtbar. Wie soll dich jemand anmachen, wenn er nicht den geringsten Hinweis auf deine Persönlichkeit findet?«
»Ich liebe Audrey Hepburn«, sagte Jody gedankenverloren. »Ihre Garderobe würde ich tatsächlich am liebsten stehlen.«
»Ach, Audrey Hepburn!«, erwiderte Annie leicht verzweifelt. »So elegant, aber so … unterkühlt. Ich meine, glaubst du wirklich, dass sie und Gregory Peck am Ende von
Ein Herz und eine Krone
heiß und verschwitzt zur Sache gekommen sind? Nein. Sie war eindeutig der Typ Mädchen, der Kopfschmerzen bekommt. Wie wär’s mit Amélie?«, schlug Annie vor. »Hast du den Film
Die fabelhafte Welt der Amélie
gesehen? Das eigentümliche Mädchen mit dem schicken Bob, so wie deiner, und den süßen Kleidchen und Hütchen?«
»Amélie?« Jody wirkte verblüfft. »Ich mochte den Film, aber ich will nicht schräg erscheinen.«
»Warum nicht?« Annie zuckte mit den Achseln. »Vielleicht zieht dein wunderbar schräges Inneres das wunderbar schräge Innere eines anderen an.«
Jody war nicht überzeugt.
»Ich kleide jetzt seit zwanzig Jahren Frauen ein«, erklärte Annie mit einem zuversichtlichen Lächeln. »Ich meine, du musst mir einfach vertrauen. Okay?«
Jody nickte bedächtig.
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12.
Harry auf Parade:
Maßanzug (Daks)
Maßgeschneidertes weißes Hemd (Thomas Pink)
Marineblaue Krawatte mit kleinem weißem Punkt (Gieves & Hawkes)
Glänzend polierte schwarze Schuhe (Church’s)
Geschätzte Gesamtkosten: 1750 £
»Das hier ist absolut wundervoll!«
D ie Turbine Hall der Tate Modern war ein atemberaubender Veranstaltungsort. Riesige Skulpturen erhoben sich vom nackten Zementboden und ließen den Gästeschwarm klein erscheinen. An jeder Wand, vor jedem Fenster gab es etwas Erstaunliches zu betrachten.
Obwohl die Veranstaltung als Künstlerball angekündigt war, lag auf der Hand, dass um die unbezahlbaren Schätze der Modernen Kunst herum kein Tanz stattfinden würde. Auf
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