Styling deluxe / Roman
Erfahrung gebracht und versucht, ihre Nerven zu beruhigen. Tina war jünger, als Annie erwartet hatte. Allerdings hatte man ihr auch nur gesagt: »Alleinerziehende Mutter, lebt mit ihrem Töchterchen zusammen, arbeitet Vollzeit, hat sich persönlich bei uns gemeldet.«
Dann hatte Finn ihr ein Foto von einem Mädchen im weißen Daunenmantel mit feinem schwarzen Haar und einem herzförmigen Gesicht gezeigt.
»Ich glaube, aus der lässt sich richtig gut was machen«, hatte Finn hinzugefügt. »Ich glaube, sie wird ein Bombenerfolg. Sie hat eine gute Figur, ein hübsches Gesicht, weiß nur nicht, wie sie was aus sich machen kann. Wenn ihr drei mit ihr durch seid …«
Wie sich herausstellte, war Tina erst vierundzwanzig, hatte aber bereits eine dreijährige Tochter, eine eigene Wohnung und eine Vollzeitstelle. Die Wohnung war winzig, aber erst ein paar Jahre alt und daher hell, luftig und gemütlich. Annie und Bob hatten sich zusammen auf das kleine Sofa gequetscht und sich von Tina Tee servieren lassen.
»Wo ist denn dein entzückendes kleines Mädchen?«, fragte Annie und zeigte auf eines der zahlreichen im ganzen Zimmer verteilten Fotos.
»Heute ist sie bei meiner Mum«, antwortete Tina. »Sie geht zwei Tage in die Krippe und drei zu ihrer Großmutter.«
»Und du hast den Tag frei. Du Glückliche!«, sagte Annie. »Du wirst Riesenspaß haben.«
Die Antwort auf die Frage »Warum hast du dich bei uns gemeldet?« erwies sich als ein bisschen heikel für Tina.
Unsicher hatte sie sich vorgetastet. »Ach, mit Kleidung und Make-up kenne ich mich nicht gut aus … Ich gehe nicht oft aus … das heißt, ich würde gern öfter ausgehen, aber … seit ich Julia habe, verstecke ich mich, und ich glaube, irgendwie will ich jetzt wieder mehr ausgehen.«
»Prima!«, baute Annie sie auf. »Wir sind hier, um dir zu helfen, dir alle guten Ratschläge zu geben, die uns einfallen.«
Nachdem Finn und die anderen jetzt angekommen waren, beschloss Annie, ihnen entgegenzugehen und sie zu begrüßen.
Miss Marlise stieg aus dem Auto, sah sich kurz um und verkündete: »Oh mein Gott, was für ein Saustall!«
Zugegeben, Tinas Mietshaus war das einzige neue in der Straße, der Rest schrie förmlich nach einer Renovierung. Aber trotzdem.
»Es könnte schlimmer sein«, erinnerte Annie sie. Daraufhin reichte Finn ihr eine Tasche und warnte: »Hier sollte man lieber nichts im Auto zurücklassen.«
Als sie begriff, dass sie Marlises Tasche trug, während Marlise ohne Gepäck zum Haus marschierte, hätte Annie die Tasche am liebsten auf der Stelle fallen gelassen.
Aber Svetlana war an ihrer Seite, in einen weiteren Pelzmantel gehüllt, weil ihre High Heels und eleganten Kleider für das kühle Wetter einfach nicht geeignet waren.
»Wie ist Frau, die wir umstylen?«, wollte sie wissen.
»Schüchtern … ganz lieb.«
»Noch so ein Trauerkloß?«, fragte Marlise, die Svetlanas Frage gehört hatte, und drehte sich um.
Annie wusste nicht recht, was sie darauf erwidern sollte, denn Cath, Jody und Tina waren ihr nicht wie »Trauerklöße« vorgekommen. Sie alle brauchten nur einen kleinen Anstoß, der sie auf die nächsthöhere Stufe beförderte.
»Sie hat mit einundzwanzig oder so ein Kind gekriegt?« Miss Marlise schnaubte verächtlich. »Ist das nicht ein bisschen traurig?«
»Nun …«, setzte Annie an, Miss Marlises Gepäck fest im Griff. »Aber sie hat eine Wohnung, einen Job, ihre Tochter ist entzückend. Sie möchte einfach nur öfter mal raus.«
»Mutter mit einundzwanzig – und das Leben ist vorbei, bevor es angefangen hat«, fuhr Marlise fort. »Was zum Kuckuck soll
ich
denn da noch für sie tun?«
Miss Marlise ließ Annie mit offenem Mund stehen und stapfte vor ihnen zum Haus. Ihre hochhackigen Lacklederstiefel klapperten auf dem Beton.
»Ich habe meine Tochter auch mit einundzwanzig bekommen«, zischelte Annie Svetlana zu, »und ich habe jeden Augenblick genossen.«
»Ist ganz anders, wenn du lieben Mann hast. Dieses Mädchen ist allein«, betonte Svetlana. »Sehrrr anders.«
Inzwischen hatten sie Tinas Haustür erreicht, und für Diskussionen blieb keine Zeit mehr.
Alle zwängten sich ins Wohnzimmer und machten sich mit Tina bekannt, die vor Schüchternheit ein bisschen in sich zusammenzuschrumpfen schien.
Nach kurzem Small Talk kramte Finn sein Klemmbrett heraus und nahm den Drehplan in Angriff.
»Wenn wir Tina zuerst mit Svetlana und Miss Marlise filmen«, begann er mit einem raschen Blick auf seine Uhr,
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