Styling deluxe / Roman
hält«, schlug Annie vor. Sie schob den Vorhang zurück und bedeutete dem Kameramann, einmal einen Blick auf Tina zu werfen.
»Unglaublich!«, lautete sein anerkennender Kommentar. »Du siehst umwerfend aus, Tina! Ich erkenne dich kaum wieder!«
Er reckte den Daumen in Annies Richtung und sagte: »Finn wird sehr zufrieden sein.«
Dann hob er die Kamera vor sein Gesicht und begann zu filmen.
Doch Tina stand immer noch langbeinig vor dem Spiegel und machte ein mürrisches Gesicht.
»Was ist los?«, erkundigte Annie sich. »Ist es eine zu große Veränderung? Eine zu große Überraschung? Aber du siehst so toll aus. Ich finde, die Welt sollte das wissen! Du hast dich viel zu lange vor ihr versteckt.«
»Es ist nur … es ist so … na ja, ist es nicht ein bisschen zu deutlich?«, fragte Tina schließlich. »Ich meine«, fuhr sie fort, »Minirock und Bustier und langes Haar und High Heels. Ich finde … das ist einfach zu viel.«
Kaum hatte Tina es ausgesprochen, wusste Annie, dass es zutraf. Ja, natürlich stimmte es. Würde sie Lana so auf die Straße lassen? Nein. Und auch wenn Tina acht Jahre älter war als Lana, es war zu viel. Finn mochte es so gefallen. Finn wollte vielleicht diese Art von übertriebener Verwandlung auf dem Bildschirm sehen, doch wie Tina gesagt hatte: Es war zu viel.
Dann folgte der Clou, der Annie zu Herzen ging und auf den sie reagieren musste, das wusste sie. »Das bin nicht ich«, erklärte Tina.
»Nun ja, du musst schon du selbst sein«, entschied Annie, überzeugt, dass auch Finn zufrieden sein würde, wenn sie Tina nach deren eigenen Vorstellungen schön machen konnte. »Gefällt dir denn überhaupt irgendetwas an diesem Outfit?«, wollte sie wissen.
»Ich mag das Top«, antwortete sie zu ihrer eigenen Überraschung.
Sie hatte recht. Die schwarze, herzförmig ausgeschnittene Korsage sah hinreißend zu ihrer hellen Haut und den kräftigen Schultern aus.
»Und die Schuhe.«
»Oh ja, diese Schuhe mag ich auch!«, musste Annie zugeben. Sie waren glänzend schwarz mit hohen Absätzen und seidigen Schnürbändern.
»Ton in Ton vielleicht, die Korsage und die Schuhe, vielleicht sollten wir eine schmal geschnittene Seidenhose dazu versuchen«, schlug Annie vor.
»Ja, eine Hose. In Schwarz?«, regte Tina an.
»Ja, probieren wir’s mit Schwarz.«
Tina strich sich das Haar aus dem Gesicht und hielt es einen Augenblick lang zusammengefasst in die Höhe.
Annie bewunderte Tinas feine Züge und entdeckte dabei etwas, das ihr vorher nicht aufgefallen war. Ein kunstvolles Tattoo einer Rose am Genick, deren Stiel und Blätter sich auf Tinas Schulter ausdehnten.
»Nein, sieh dir das an!«, rief sie aus. »Das ist ja hübsch, das muss unbedingt freigelegt werden. Tina«, schimpfte sie, »deine besten Seiten hast du vor uns versteckt!«
»Vielleicht will ich das so«, sagte Tina leise.
Annie trat näher hinter sie, um die Rose eingehender zu betrachten. Sie war eigentlich kein Tattoo-Fan, aber dieses war wirklich gut gemacht. Es war zart gefärbt, um Tinas schlankem Hals und ihrer hellen Haut zu schmeicheln.
»Gefällt es dir?«, fragte Tina.
»Es ist wirklich schön«, antwortete Annie.
»Ich habe es erst vor einem Monat machen lassen. Der Schorf ist gerade erst verheilt und …«
»Du bist fast so weit, dass du es öffentlich zeigen kannst«, vermutete Annie.
»Ja … meine … jemand aus meinem Freundeskreis hat es entworfen. Und wir sind damit zu diesem Tätowierkünstler gegangen.«
»Ein sehr begabter Freund«, sagte Annie und bemerkte verblüfft, dass es Tina rosig vom Hals bis ins Gesicht stieg.
»Mehr als ein Freund?«, fragte Annie.
»Kann sein«, gestand Tina und senkte den Blick. »Vielleicht ist sie mehr als ein Freund.« Und gleich huschte ein erstaunter Ausdruck über ihr Gesicht, als hätte sie mehr preisgegeben, als sie wollte.
»Hochinteressant!« Annie lächelte sie ermutigend an; es war nicht das erste Mal, dass sie im Umkleideraum gewisse Geheimnisse erfuhr. Wenn man Menschen körperlich entblößte, drang man anscheinend zu allen möglichen nackten Tatsachen über deren Persönlichkeit vor.
»Dann passieren zurzeit in deinem Leben lauter aufregende Dinge«, bemerkte Annie.
»Ja … mag sein.«
»Also: eine neue Tina. Ein neuer Look. Unbedingt!«, entschied Annie, griff in Tinas Haar und nahm es wieder aus ihrem Gesicht. »Hast du schon mal daran gedacht, dir die Haare abzuschneiden?«, fragte sie. »Du hast so ein hübsches Gesicht, und dann
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