Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
STYX - Fluss der Toten (German Edition)

STYX - Fluss der Toten (German Edition)

Titel: STYX - Fluss der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
gemeinsam, als könnten sie in der Gruppe gegen die Dunkelheit ankämpfen. Wenn er sich besonders anstrengte, konnte Navin sogar Lennart ausmachen, der zwischen den anderen schlief.
    Der Junge lag ungewöhnlich still da und Navin meinte sehen zu können, dass sich die kleine Brust unregelmäßig hob und senkte. Aber ganz sicher war er sich nicht. Das Licht in der Scheune reichte einfach nicht aus, um ein gutes Urteil darüber fällen zu können.
    Navin wandte den Kopf wieder zur Seite und sah zu der Feuerstelle. Das Lager, auf dem Cassie geschlafen hatte, war leer. Ein zusammengeknüllter Schlafsack lag unordentlich auf dem Strohlager und Cassies Umhängetasche direkt daneben. Ihre Kleider und die Parka waren jedoch verschwunden.
    »Cassie?«
    Die leise Stimme schreckte Navin auf. Ein Schemen schälte sich aus der Dämmerung. Das kleine Mädchen mit dem Schokoladenriegel trat in den blassen Schein der Glut und starrte auf das verlassene Schlaflager hinunter.
    »Cassie?«, wiederholte sie und in ihrer Stimme schwang Angst mit. Sie hörte sich jetzt viel mehr wie ein kleines Kind an als noch am Abend zuvor. Langsam drehte sie sich um und sah zu Navin hinüber. Auf ihrem Gesicht tanzten rote und schwarze Schatten von der Glut.
    »Du hast sie vertrieben«, flüsterte sie. »Wie sollen wir jetzt den Weg finden.«
    »Ich habe sie nicht vertrieben«, flüsterte Navin zurück und erhob sich ebenfalls langsam von seinem Lager. »Sie muss selbst beschlossen haben, zu gehen. Aber ich werde nach ihr suchen. Bleibt ihr hier.«
    »Und wenn sie nicht gefunden werden will?«
    Rona trat ein Stück näher an Navin heran. In ihren Augen lag ein fremdartiger Ausdruck. Und war da nicht ein kühler Hauch, der das kleine Mädchen umgab? Oder waren das nur die Nachwehen von seinem Traum.
    »Ich werde sie finden«, erwiderte Navin und sammelte seine eigenen Kleider vom Balken. Sie waren noch nicht vollkommen getrocknet und lagen klamm und übelriechend in seinen Händen. Es fühlte sich an als griffe eine kalte, nasse Hand nach seinen Beinen, als er die Hose überstreifte. »Sie hat mich auch gefunden. Wenn es jemanden gibt, der es kann, dann ich.«
    Das kleine Mädchen trat noch näher an ihn heran. Navin hatte sich nicht geirrt. Von ihrer Haut ging eine klamme Kälte aus, die gar nichts gemeinsam hatte mit der Wärme, die einen Menschen normalerweise umgeben sollte. Navin hielt in seinen Bewegungen inne. Sein Sweatshirt hing schlaff in seinen halb erhobenen Händen.
    »Du bist eine von Ihnen«, sagte er leise. »Eine von den Anderen.«
    Rona legte den Kopf schief und lächelte ihn von unten herauf an. »Ich bin nicht anders«, sagte sie. »Ich bin nur älter.«
    Navin runzelte die Stirn und sah das kleine Mädchen – wenn es das war – fragend an, doch sie lieferte keine weitere Erklärung.
    »Du musst sie finden«, sagte sie, »damit alles seinen Weg gehen kann, wie wir uns das gedacht haben.«
    »Warum tut ihr uns das an? Was haben wir euch getan?«
    Sie zuckte nur mit den Schultern. »Sie sind schon sehr lange hier und das weißt du auch. Du gehörst genauso wenig zu ihnen wie ich«, antwortete sie, bevor sie sich abwendete und zurück zu den Kindern ging.
    Navin konnte sehen, wie sie sich über das Lager des kranken Lennart beugte und ihm mit einer zarten Geste das Haar aus der Stirn strich. Sie sah sanft und mitfühlend dabei aus, nicht so unheimlich wie die übrigen ihrer Art, die erschreckend und fremdartig gewesen waren. Aber vielleicht hatten die »Anderen« sich auch nur angepasst.
    Sei es, wie es mochte. Er musste Cassie finden. Ob er sie danach hierher zurückbrachte - wer konnte das schon wissen? Die Scheune war zu einem unheimlichen Ort geworden, aber Cassie und er waren im Grunde auch unheimliche Menschen. Wenn sie überhaupt Menschen waren.
*
    Der Fluss rauschte beständig neben ihr her. Es hatte aufgehört zu regnen, doch noch immer verdeckte eine dicke Wolkenschicht die Sicht auf den Sternenhimmel. Cassie konnte die Sterne jedoch spüren, ihre glänzenden kalten Augen hinter den grauen Schlieren der Wolken. Sie fragte sich, ob die »Anderen« auch von den Sternen gekommen waren, aus dem Himmel. Kamen Götter nicht aus dem Himmel? Oder waren das nur die guten Götter?
    Das Tosen des Flusses beruhigte sie. Es schien ihr fast wie ein Chor von Stimmen, die sich lautstark unterhielten und auch ihr immer wieder das eine oder andere Wort zuriefen. Bei der Dunkelheit konnte sie nicht sehen, welche Farbe das Wasser hatte, doch

Weitere Kostenlose Bücher