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STYX - Fluss der Toten (German Edition)

STYX - Fluss der Toten (German Edition)

Titel: STYX - Fluss der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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passierte nur Anfängern oder einem besonders dummen Fährmann. Wenn das herauskäme, wäre er für die anderen nur noch eine Witzfigur.
    Eduardos Augen wurden zu so kleinen Schlitzen, dass man sie kaum noch erkennen konnte. Nervös rutschte der Verstorbene hin und her und zog an seinem Kragen. »Ähm ... ist das ein Problem?«
    Eduardo warf die Münze über Bord. Er sah noch wie der dunkle Punkt im Nebel ins Wasser stürzte, dann wendete er und steuerte zum Strand zurück.
    »Was wird das? Fahren wir zurück?«
    Eduardo antwortete nicht.
    Der Verstorbene wollte aufstehen, aber Eduardo schaukelte ein wenig und der Tote fiel wieder auf seinen Platz.
    »Hey ...«
    »Noch ein Wort und ich werfe dich über Bord! Sei froh, dass ich dich den Rest der Ewigkeit am Strand verrotten lasse und nicht den Fluten des Styx übergebe.«
    Der Passagier wurde kreidebleich und sagte nichts mehr, was Eduardo recht war. Er musste so schnell wie möglich zum Strand zurück und jemand anderen mitnehmen.
6
    Die neuen Verstorbenen fielen vom Himmel und schlugen sanft auf den Strand auf. Mal mehr, mal weniger fielen sie von oben. Wie ein schwacher Sommerregen.
    Die Wartenden machten Platz für die Neuankömmlinge. Einige sahen sie mitleidig an, andere misstrauisch, denn jeder Neue konnte früher mitgenommen werden als man selbst. Und einige Wenige sahen in ihnen eine Möglichkeit, um überhaupt selbst von hier wegzukommen. Der feine Sandstaub hatte sich noch nicht einmal gelegt, da schlichen schon die Ersten um die Neuankömmlinge herum.
    Jean hatte ihnen ein paar Mal dabei zugesehen. Den meisten gelang es nicht, die Münzen ihren rechtmäßigen Besitzern zu stehlen, doch einigen schon. Er rang mit sich selbst. Konnte er es? Konnte er es nicht? Jemand anderen bestehlen, um einen persönlichen Vorteil daraus zu ziehen? Doch Jean musste nur an Olivia denken und schon waren die letzten Zweifel verschwunden: Er tat es ja nicht für sich, er tat es für Olivia. Immerhin stahl er ja nicht, weil er keine Münze besaß. Sie wurde ihm in gewisser Weise genommen.
    Und überhaupt stahl Jean ja eigentlich nicht, er borgte sie sich nur aus. Wenn er einmal auf der anderen Seite war, würde er einen Weg finden, die eigene Münze aus dem Körper zu bekommen und dem »Beborgten« seinen Obolus wiederzugeben.
    Etwas abseits von den Anderen schlug ein weiterer Neuankömmling auf. Außer Jean schien ihn niemand zu bemerken. Langsam näherte er sich ihm. Es war ein Mann, ungefähr in seinem Alter. Nur besaß er noch volles Haar, das ein wenig grau war, und sein Anzug schien nicht so teuer wie sein eigener.
    Jean betrachtete den Fremden eine Weile. Wer war er? Hatte er eine Familie, eine Frau, die auf ihn wartete? Nein, mit solchen Gedanken durfte er sich nicht herumplagen. Es war ein Verstorbener, einer von vielen. Und hoffentlich einer mit einem Obolus in seinem Mund. Jean verdrehte die Augen und seufzte leise. Bei seinem Glück hatte er sich bestimmt einen ausgesucht, der ohne Münze hier ankam.
    Nach kurzem Zögern öffnete er widerwillig den Mund des Mannes und blickte hinein. Erst sah er nur gähnende Leere, bis etwas in der Dunkelheit des Rachens aufblitzte: ein schmaler, weißer Streifen, ein einzelner Funke.
    Jeans Finger zitterten als er sie in den Mund schob und die Münze fühlte. Sie lag unter der Zunge. Eigentlich war es ganz einfach, er musste sie nur in die Finger nehmen und herausziehen.
    Der Mann war noch immer nicht zu sich gekommen. Er würde seinen Verlust erst viel später bemerken, falls er nicht sogar annahm, seine Familie hätte ihm die Überfahrt verweigern wollen.
    Mit einer schnellen Bewegung zog Jean die Münze heraus. Lachend sprang er empor, hielt sie triumphierend in die Höhe. Endlich!
    Habe sie ... habe sie ... habe sie ...
    Jetzt musste er nur noch auf den nächsten Fährmann warten und konnte Olivia nach so langer Zeit wieder in die Arme nehmen, ihr in die Augen sehen, sie auf die schmalen Lippen küssen und ...
    Was würde sie sagen, wenn sie davon erfuhr?
    Möglicherweise gar nichts, denn sie wäre zu enttäuscht von ihm, um auch nur ein Wort mit ihm zu reden. Das war nicht der Jean, den sie geheiratet hatte. So sehr sie ihn auch liebte, aber das er sein Glück über das eines anderen stellte, würde sie ihm niemals verzeihen.
    Jean betrachtete die Münze. Es war nicht seine. Auch wenn er sie in Händen hielt und nun die Überfahrt antreten konnte war es nicht seine Münze und auch nicht seine Überfahrt.
    Der Fremde zuckte

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