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STYX - Fluss der Toten (German Edition)

STYX - Fluss der Toten (German Edition)

Titel: STYX - Fluss der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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mehrmals. Er öffnet die Augen, erhob sich langsam und sah sich um. Dann befühlte er seinen Mund.
    »Ach du Schande!«, kam es ihm erschrocken über die Lippen.
    Als er zu Jean sah, schnipste der ihm die Münze zu und zuckte vielsagend mit den Schultern. »Heute ist dein Glückstag«, sagte er und ließ ihn alleine.
    Mit gesenktem Kopf und Händen in den Taschen ging Jean zum Wasser. Er betrachtete die Wellen und versuchte durch die dichte Nebelwand zu sehen. Vielleicht schaffte er es ja, alleine hinüber zu gelangen? Das andere Ufer konnte schließlich ganz nahe sein – so nahe, das man es sehen könnte, wenn der Nebel nicht wäre. Vielleicht war alles eine Lüge, damit die Fährmänner ihren Lohn bekamen.
    Sollte er es versuchen?
    »Ich weiß, woran du denkst«, riss ihn eine Stimme aus seinen Gedanken.
    Blinzelnd sah Jean zu dem Mann hinüber. Es war derjenige, der versucht hatte, seine Münze zu stehlen. Der Mann kaute an seinen Nägeln und nickte zum Styx hinüber. »Du willst alleine hinüberschwimmen. Durch den Fluss des Todes, ohne den Fährmann zu bezahlen. Doch ich warne dich...« Ein lautes Knacken ertönte. »Keiner, der es versucht hat, ist je wieder aufgetaucht.« Der Mann spuckte seinen abgebissenen Fingernagel aus und schob etwas Sand darüber.
    »Und?«, erwiderte Jean bissig. »Sie werden die andere Seite erreicht haben!«
    »Glaubst du nicht, wenn es so einfach wäre, würde es jeder tun? Ich habe es einmal versucht, vor Jahren. Nach der bitteren Erkenntnis, dass meine Frau mir keinen Obolus mitgegeben hatte, sprang ich ins Wasser. Ich schwamm und schwamm und dann ... sah ich sie.«
    »Wen?«
    »Die verdammten Seelen. Sie irren im Wasser umher und sind von der permanenten Dunkelheit wahnsinnig geworden. Es sind nicht einfache Verstorbene, wie du und ich. Sie sind verzerrte, angsterfüllte Schatten der Toten. Ich habe so viel Angst bekommen, dass ich schnell wie der Blitz zurückgeschwommen bin.«
    Jean starrte noch immer in den Nebel. Ohne den Mann ein weiteres Mal anzusehen, zog er seine Schuhe aus. Als er sich erhob, ergriff der Mann seinen Arm und hielt ihn fest. »Okay, du hast dich entschlossen, aber – zum Teufel – glaube mir. Wenn es die geringste Chance gäbe, alleine in das Totenreich zu kommen, wäre ich dann noch hier und würde versuchen, jedem Neuankömmling seine Münze zu stehlen?«
    »Wartet da drüben jemand auf dich?«
    Der Mann verneinte. Jean schüttelte dessen Arm ab, zog das Jackett aus und marschierte entschlossen los. Viele beobachteten ihn dabei, als er anfing zu schwimmen. »Ich heiße Kai«, rief der Mann ihm noch hinterher, obwohl er wusste, dass Jean ihn nicht mehr hören konnte.
7
    Jean schwamm und schwamm, doch das andere Ufer kam nicht in Sicht.
    Wie lange war er schon unterwegs? Es war, als würde er wie durch einen Albtraum schwimmen. Kein Vorwärts und kein Zurück mehr, immer die gleiche Dunkelheit und Stille. Nur die Geräusche seines eigenen Schnaufens, seine Schwimmgeräusche und die bedrohlich klingenden Wellen vernahm er.
    Jean hatte mehr und mehr Mühe, oben zu bleiben. Seine Arme wurden mit jedem Schwimmzug schwerer. Es war, als würde sein eigener Körper eine Last werden, die er nicht mehr halten konnte. Warum kämpfte er überhaupt darum, oben zu bleiben? Was hielt ihn über Wasser? Er war tot. Und wenn er wollte, konnte er durch den Fluss laufen. Obwohl »Fluss« nicht die richtige Bezeichnung war: Das hier war ein riesiges Meer.
    Jean sah zum Nachthimmel empor, konnte ihn durch den Nebel jedoch nicht sehen. Kein einziger Stern war zu erkennen, selbst der große Mond war nur ein vages Schimmern. Jean hörte auf zu rudern, schloss die Augen und begann langsam zu sinken. Er schwebte hinab. Und als er die Augen wieder öffnete, blickte er in eine dunkle, dicke Brühe, die wie der Nebel die Sicht erschwerte. Je näher er dem Grund kam, desto weniger wurde er vom Wasser getragen. Unter sich konnte Jean eine Schlammbank ausmachen. Es war so herrlich still.
    Jean begann wieder zu schwimmen. Es war viel angenehmer, nicht gegen die Wellen und Strömung ankämpfen zu müssen. Vereinzelt konnte er unter sich Überreste von Booten ausmachen, die aus dem Schlamm herausragten. Ringsum waren unzählige, verschiedene Fischschwärme. Kleine graue Fische mit sieben Augen, runde Fische mit Tentakeln, die so schwarz und glänzend waren, als würden sie aus frischem Lack bestehen, und viele andere bizarre Arten, die Jean noch nie gesehen hatte. Im Fluss des Todes

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