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STYX - Fluss der Toten (German Edition)

STYX - Fluss der Toten (German Edition)

Titel: STYX - Fluss der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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erreichte mehr die andere Seite. Der Fährmann war zum Lichtträger jener uralten Scheußlichkeiten geworden, die jenseits der Mauer darauf warteten, unsere Welt in Besitz zu nehmen. Die Seelen im Stein gaben ihnen Kraft, ihr Schmerz war Nahrung, nicht mehr und nicht weniger.
    Tränen rannen mir über die Wangen, als ich die Ungeheuerlichkeit dieser Entdeckung erkannte.
    Beinahe hätte ich Jack vergessen. Erst sein Flehen und Betteln, bar jeder Menschlichkeit, pure Verzweiflung, erinnerte mich an ihn. Ich sah hinüber. Der Lichtträger ging langsam auf meinen Mitbewohner zu und mit jedem Schritt sank Jack mehr in sich zusammen, in gespenstischer, lautloser Zeitlupe. Der Verräter hatte ein überlegenes Lächeln auf den Lippen, wusste er doch, dass ihm seine Beute nicht würde entkommen können. Schließlich sank Jack endgültig zu Boden und blieb liegen. Die Kerze erlosch und der Lichtträger kniete neben Jack nieder. Ohne Hast setzte er die Lampe auf die Brust meines Freundes und mit vor Entsetzen geweiteten Augen wurde ich Zeuge, wie die Seele aus Jacks Körper gezogen wurde. Eine kleine Wolke aus schwarzem Licht glitt zögerlich ins Innere der Lampe. Instinktiv wusste ich, dass Jack nun wirklich und wahrhaftig ausgelöscht worden war; nicht tot, sondern ausradiert aus der Existenz, aufgesaugt und den uralten Grotesken als Nahrung zugeführt.
    Der Lichtträger nahm seine Lampe und wandte sich der Fähre zu. Die Höhle begann zu verblassen. Die Welt kehrte zurück, die Barriere schien wieder hergestellt. Doch bevor er endgültig aus meiner Welt verschwand, wandte sich der Fährmann noch einmal um und blickte mich an. Er war zu dem geworden, was ich erwartet hatte. Einem grässlichen Abbild des Todes. In seinen tiefen Augen brannte ein Versprechen. Das Versprechen auf ein Wiedersehen in der Zukunft. Ich wusste es nicht recht zu deuten, nur eines war klar: Es bereitete mir furchtbare Angst.
    Als er fort war, erinnerte nur noch Jacks Leiche vor der Tür an die grauenvolle Begegnung. Nachdem ich einigermaßen die Fassung wiedergefunden hatte, rief ich die Polizei und gab an, verdächtige Geräusche im Haus gehört zu haben. Natürlich erzählte ich ihnen nicht, was ich erblickt hatte. All dies sollte mein Geheimnis bleiben, niemand sollte je davon erfahren. Jack war tot, auch wenn der Gerichtsmediziner nicht zu sagen vermochte, woran er eigentlich gestorben war – auch dies blieb also ein Rätsel.
    Ich habe das Haus, die Stadt, sogar das Land verlassen. So weit weg, bis die Schatten jener Tage nicht mehr ganz so lang und dunkel erschienen. An manchen Tagen konnte ich mir sogar einreden, sie für immer hinter mir gelassen zu haben. Ich glaubte tatsächlich, die Vergangenheit ausgelöscht zu haben.
    Ich lebte also, irgendwie. Glücklich in meiner Einsamkeit. Bis heute.
    Ich hätte es spüren müssen, schon an diesem Morgen. Es war dieselbe Energie wie damals, als Jack starb. Hätte ich das Haus nicht verlassen, wäre ich dem Lichtträger vielleicht nicht begegnet. Der Mann schien zwar alt, auf einem ebenso alten Fahrrad, aber ich glaube nicht, dass es für dieses Wesen ein Problem darstellt, alles zu sein, was es will. Und ich glaube, ich weiß auch, warum er wieder da ist: Er will sein Versprechen erneuern.
    Wer weiß, vielleicht reicht es ja schon mit jemandem zusammen zu sein, der die Dunkelheit in sich trägt, um selbst davon befallen zu werden. Wir Menschen sind sicher ein guter Nährboden für das Dunkle.
*
    Seit heute weiß ich, dass mich der Träger des Lichts mit seiner alten Lampe eines Tages holen wird.
    Vielleicht ist das sogar gut so, denn ich habe hier und heute beschlossen, nicht so wie mein alter, toter Freund zu werden: halb wahnsinnig vor Angst, immer auf der Flucht.
    Ich werde leben, schreiben und mit beiden Beinen in der Welt stehen.
    Wenn er dann kommt – und das wird er – gehe ich in dem Wissen, alles getan zu haben, wozu ich imstande war. Vielleicht ist das die einzige Methode, ihm zu entgehen. Verfolgt werden wir doch alle irgendwie.
    Der Vergangenheit kann man nicht entkommen.

Über den Styx muss jeder alleine
    – Fragmente eines Albtraums –
    Antonia Schmalstieg
Meiner Schwester J.-H. H. gewidmet, in der Hoffnung, dass wir uns auf der anderen Seite wiedersehen.
    Es ist nebelig.
    Ich erinnere mich nicht, in diese Höhle gekommen zu sein.
    Auch nicht wie.
    Wo mein Kopf sein sollte, pocht es dumpf. Als ich nach meinem Gesicht tasten will, erkenne ich, dass meine Hände verbrannt sind. Die

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