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STYX - Fluss der Toten (German Edition)

STYX - Fluss der Toten (German Edition)

Titel: STYX - Fluss der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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in meinen Ohren tobte Wolfgangs irrsinnspeiendes Geigen-spiel und vor meinen Augen vereinigten sich Farben und Formen zu einem schwankenden Totentanz. Wolfgang ging, mit raschen Schritten und sein Instrument bearbeitend, vor mir auf und ab, sein Gesicht schweißüberströmt und verzerrt. Unser Treiben hatte seinen Zenit erreicht, Wolfgang redete wirr von den unbeschreiblichen Welten, die er zu sehen verurteilt war, und auch ich erkannte ihre Konturen immer deutlicher. Und obwohl uns all dies endloses Vergnügen und eine unheilige Freude bereitete, war da noch etwas anderes; eine unterschwellige Angst, die wir zu unterdrücken suchten, deren schwarze Wogen jedoch immer höher schlugen. Gelegentlich donnerte es und der Sturm tobte gegen das Haus. Ging ein Blitz hernieder, so unterbrach Wolfgang urplötzlich sein Spiel, der Wahnsinn wich ein wenig aus seinen Zügen und er sah mit einer unnatürlich anmutenden Wachsamkeit zum Fenster hinaus. Und auch ich fröstelte in diesen Momenten, obschon ich nicht sagen konnte, warum. Irgendetwas hatte es mit diesen Blitzen, diesen selten grellen und blautanzenden Blitzen zu tun, auch wenn sie nicht wirklich die Ursache waren. Anfangs noch leise, später immer deutlicher, hörte ich bei nachfolgenden Blitzen Wolfgang zwei Worte murmeln, zwei Worte die meine leichte Furcht in Grauen umschlagen ließen: » Das Auge ...«
    In immer dichterer Folge wurde die tot daliegende Außenwelt nun in schauerliches Licht getaucht und ich wurde immer unruhiger, und klänge es nicht so verflucht albern, würde ich behaupten, dass dort überhaupt kein richtiges Blitzen war, sondern dass die Sterne in gerechtem Zorn aufleuchteten und hasserfüllt pulsierten.
    Mit einem ohrenbetäubenden Donner ging schließlich ein Blitz hernieder, der auch unseren Raum in gleißende Helligkeit tauchte, sodass ich für einen Sekundenbruchteil die zahllosen andersweltlichen Schrecken in Wolfgangs Augen sehen musste und alle Schatten in purem Entsetzen hinausstürmten. Mit umso größerer Wucht kehrten sie darauf aber zurück und sofort lag alles in undurchdringlicher Finsternis. Ich saß einfach nur da und hielt den Atem an.
    Meine Blicke vermochten kurz darauf jedoch wieder das Zimmer zu durchmessen und so erblickte ich Wolfgang, der, wie von einer höllischen Macht getrieben, losrannte und – mit einer Hand seine Geige umklammernd – in den Keller hinunter stürmte. Schwankend bewegte auch ich mich nun auf die Kellertreppe zu, und noch während ich ging, hörte ich von unten Wolfgangs morbides Spiel von Neuem beginnen. Wie angewurzelt blieb ich stehen, denn die Klänge, die zu mir heraufdrangen, waren grauenhafter, als alles, was ich bisher gehört hatte. Einige Minuten lauschte ich hilflos, dann gesellten sich zu den schreienden Kakophonien Worte Wolfgangs, oder zumindest Worte, die über Wolfgangs Lippen drangen. Es waren seltsame Worte in einer unendlich fremden Sprache, die Wolfgang hektisch hervorstieß. Dabei wurde er, so klang es zumindest für mich, immer panischer.
    Zuletzt begann er herzerweichend zu flehen und zu betteln, währenddessen sein Geigenspiel immer rasender wurde. Und in dem Augenblick, da ich glaubte, dass die Geräusche von dort unten nicht mehr schlimmer werden könnten und sie es dennoch taten, wurden sie überschallt von einem verzweifelten Schrei Wolfgangs, der die Nacht durchschnitt und sogar das Donnern übertönte. Dann herrschte augenblicklich Stille. Lange Zeit noch stand ich regungslos an der Treppe. So lange Zeit, dass ich zu spüren glaubte, dass sich der graue Staub nun auch auf mich legte.
    Schließlich aber bezwang meine innige Freundschaft zu Wolfgang die verzehrende Angst und ich ging hinab. Um es kurz zu machen, und sämtliche Schilderungen meiner anfänglichen Überraschung, meines Unglaubens und letztlich meiner Verzweiflung auszusparen: Der Keller war leer.
    In der selben Stunde noch verließ ich das Haus, um nie mehr zurückzukehren. Ich ging fort, wobei ich es sorgsam vermied, einen Blick in Richtung des Friedhofs oder hinauf zu den drohenden Sternen zu werfen.
    Nein, ich kehrte tatsächlich nie mehr zurück.
    Wahrscheinlich könnte ich es auch gar nicht mehr, denn mein Geist, vermutlich in dem Versuch, sich selbst zu retten, ließ den genauen Ort des Grauens im Vergessen versinken. Vielleicht, so könnte ein Unbeteiligter sagen, sollte ich auch den Rest vergessen. Schließlich ist seitdem geraume Zeit vergangen, keine Verbindung zu jener Zeit ist mir geblieben. Nicht

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