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STYX - Fluss der Toten (German Edition)

STYX - Fluss der Toten (German Edition)

Titel: STYX - Fluss der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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zurück. Hierher kommen nur die Toten«, antwortete Kassandra und stand auf.
Sie durchquerte den seichten Fluss und kurz bevor sie außer Hörweite war, murmelte Apollon: »Die Toten und die Götter.«
*
    Kassandra fuhr aus ihrer Ohnmacht auf.
    Jemand rüttelte unsanft an ihrer Schulter. Sie fühlte sich, als irrte ihr Geist durch einen dichten Nebel, der all ihre Sinne verschleierte. Mühsam versuchte sie, sich aufzurichten. Aeneas hatte sich über sie gebeugt und sah sie besorgt an. »Kassandra, was ist passiert?«
    Sie wusste es selbst nicht. »Ich glaube, ich hatte einen Traum«, begann sie zögerlich. »Nein, kein Traum. Es war eine Vision.«
    Aeneas sah sie gebannt an. »Was hast du gesehen?«
    »Schiffe«, murmelte Kassandra.
    Während sie versuchte, sich zu erinnern, flackerte die Vision bruchstückhaft vor ihrem inneren Auge auf. »Viele Schiffe ... Hunderte. Sie kommen nach Troja. Sie bringen Krieger. Tausende Krieger!« Ihre Stimme wurde schrill, Aeneas Gesicht verschwamm vor ihren Augen, überdeckt von einem Kaleidoskop aus Bildern voller Feuer, Blut und Tod. Ihr wurde schwarz vor Augen. Doch bevor sie erneut das Bewusstsein verlor, hörte sie Apollons sanfte Stimme in der Dunkelheit: »Du hast mich gekränkt, Priesterin. Von nun an soll mein Geschenk dein Fluch sein. Wann auch immer die Zukunft sich dir offenbart, von nun an wird keiner dir Glauben schenken!«
*
    Sie musste lange ohne Bewusstsein gewesen sein, gefangen in der zwielichten Scheinwelt düsterer Träume und verlorener Erinnerungen. Man hatte sie in ihr Zelt gebracht, ihr ein Kissen in den Nacken geschoben und warme Decken über sie gebreitet. Das Licht der Nachmittagssonne drang durch die Zeltplane und tauchte den Innenraum in warmes Gelb. Marpessa saß neben dem Lager und betrachtete ihre Herrin. Kassandra verzog die Lippen zu einem schwachen Lächeln.
    »Ich bin wach, Marpessa«, sagte sie und erschrak darüber, wie kraftlos ihre Stimme klang.
    Marpessa nickte. Sie sah unglücklich und bedrückt aus. »Herrin, ich muss mit Euch reden.«
    Es fiel ihr sichtlich schwer, diese Worte auszusprechen. Kassandra sah sie abwartend an. Die Dienerin schien einen Moment mit sich zu ringen, schließlich riss sie sich zusammen und begann leise und stockend zu reden: »Herrin! Nach dem, was in Troja passiert ist, im Tempel ...« Sie hielt inne, warf Kassandra einen beinahe flehenden Blick zu und senkte beschämt den Blick, bevor sie weitersprach. »Ihr habt es mir nicht gesagt, aber alle wissen, was der Lockrer Euch angetan hat. Bitte Herrin, sagt mir ... sagt mir, ob ...« Marpessa rang hilflos die Hände und suchte nach Worten. Kassandra griff nach ihrer Hand und bedeutete ihr, zu schwei- gen.
    »Ihr wollt wissen, ob ich ein Kind erwarte?«, fragte sie schließlich und lächelte traurig.
    Marpessa erstarrte, wagte nicht Kassandra anzusehen und nickte schließlich.
    »Wer hätte gedacht, dass ich als Priesterin der Athene jemals ein Kind bekommen würde?«, lachte Kassandra leise.
    »Herrin, warum habt Ihr es mir nicht früher gesagt? Ihr hättet eine der Ammen um Hilfe bitten können!« In Marpessas Augen schwammen Tränen. »Sie hätten gewusst, was zu tun ist! Wer wollte schon ein solches Kind haben?«
    Kassandra richtete sich auf und legte Marpessa beruhigend den Arm auf die Schulter.
    »Es ist gut so wie es ist, Marpessa. Ich wünschte nur, dieses Kind könnte geboren werden.«
    Dann schickte sie ihre Dienerin hinaus.
*
Der Weg schien endlos weit gewesen zu sein.
Es kam ihr vor, als sei sie tagelang gewandert, doch die Unterwelt unterschied nicht zwischen Tag und Nacht.
Vor ihr lag ein breiter, reißender Fluss.
Erschöpft ließ sie sich an seinem Ufer auf den harten Boden fallen. Die Erde war hier grau und fest und sie überlegte, ob es sich um festgetretene Asche handelte. Am liebsten wäre sie auf der Stelle eingeschlafen, aber es schien ihr kein guter Platz zum Ruhen zu sein. Außerdem hatte sie Durst. Der lange Marsch über die wasserlose Ebene hatte sie ausgedörrt. Misstrauisch betrachtete sie das Wasser. Irgendetwas in ihr sträubte sich, davon zu trinken. Das schwache Echo einer Erinnerung, das ihr einflüsterte, es sei nicht klug aus den Flüssen der Unterwelt zu trinken.
Doch das Verlangen war zu groß und ihr Wille zu schwach.
Vorsichtig tastete sie sich an dem abschüssigen Ufer entlang. Das Wasser des Flusses war hell und klar, floss jedoch ungewöhnlich schnell, bildete wilde Strudel, als hielten sich tückische Untiefen und große

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