Sub Terra
Fähigkeit besitzt«, sagte Mo’amba mit gequältem Gesichtsausdruck. »Im Lauf der Zeit habe ich erlebt, wie die anderen Heri’hutis diese Welt verließen und ich zurückblieb. Jetzt kann auch ich die Jäger nicht mehr führen und ihnen zeigen, wie sie unser Volk ernähren und unsere Grenzen gegen die Crak’an verteidigen. Die Jäger gehen allein hinaus. Blind. Ohne die Kraft eines Heri’hutis, der über die nächste Kurve hinaussehen kann, ist das Jagen sehr gefährlich, und wir haben bereits viele Jäger verloren. Ihre Witwen klagen jede Nacht. Wir können ohne einen neuen Heri’huti, der unser Volk führt, auf Dauer nicht überleben.« Er zeigte mit dem Finger auf Ben. »Und der bist du.«
»Ich?«
»Seit vielen Jahren rufe ich und versuche, andere wie mich hierher zu locken. Du warst der Einzige, der gekommen ist.«
»Zum Teufel, es muss doch noch andere geben. Andere wie … na ja, wie du. Vielleicht teilt ja eine andere Siedlung ihren Heri’huti mit eurem.«
Mo’amba schüttelte den Kopf. »Nach der Großen Trennung haben wir die Verbindung zu den anderen Siedlungen verloren. In meinen tiefsten Träumen höre ich manchmal das Raunen der Verlorenen, doch sind das eher Wunschträume als echte Träume.«
»Dennoch kannst du nicht von mir erwarten …«
Mo’amba nahm wieder die Gestalt seines Großvaters an. Auf seiner Stirn standen grimmige Falten. »Blut ist dicker als Wasser! Du bist einer von uns!«
Ben setzte zu einer Antwort an, als ihm plötzlich Ashleys Stimme ins Bewusstsein drang. »Ben, das musst du dir ansehen!«
Bei diesen Worten schwanden plötzlich die Bilder um ihn herum, und das Gesicht des Großvaters wurde von der Finsternis verschluckt. Er öffnete die Augen und schüttelte die Reste seines Traums ab.
Ashley blickte ihn mit sorgenvollem Gesicht an. »Mein Gott, wie kannst du zu so einem Zeitpunkt schlafen?«
»Was?« Benommen rieb er seine Schläfen, wo er immer noch ein leises Pochen spürte.
»Komm und schau dir das an«, sagte Ashley, ohne zu merken, was gerade vorgefallen war. Sie ging ein paar Meter zu einer Zeichnung hinüber, kniete sich hin und winkte ihn zu sich.
Er blickte über die Lichtung zu dem Alten hinüber. Er starrte ihn immer noch an.
Mit einem Schauder kam Ben auf die Beine und hockte sich zu Ashley. Er war sich nicht sicher, ob er ihr etwas erzählen sollte. »Was hast du gefunden, Ash?«
»Schau dir diese Felszeichnung an. Es ist ein Triptychon.«
»Ein Trip-was?«
»Drei Bilder. Schau dir das letzte an.«
Ashley hockte vor drei gezeichneten roten Kreisen und zeigte auf den dritten.
Ben rückte näher und konnte kaum glauben, was er sah. Der dritte Kreis war eine grobe Karte mit den Landmassen der Südhalbkugel. »Mein Gott, das ist ja Australien.«
»Ich weiß. Die Zeichnung ist zwar ungenau, aber dennoch präzise genug. Jetzt schau dir die anderen an.«
Ben betrachtete die anderen zwei Kreise. Der erste zeigte den australischen Kontinent, der mit dem antarktischen Kontinent durch eine breite Landbrücke verbunden war. Der zweite zeigte, wie diese Landmasse sich loslöste. »Was ist damit?«
»Das ist die Verbindung! Das erklärt, wie die Mimis Australiens – wenigstens ein paar von ihnen – hierher geraten sind.«
»Ich kapiere es immer noch nicht.«
Ashley seufzte, als hätte sie es ihm nun wirklich deutlich erklärt. »Vor vielen Jahrtausenden waren die Kontinente durch Landbrücken verbunden. Durch die Verschiebung der Kontinentalplatten und das dramatische Steigen und Sinken des Wasserpegels verschwanden diese Landbrücken innerhalb weniger Monate. Fossilienfunde stützen die Theorie einer solchen Landbrücke zwischen Australien und der Antarktis. Man hat viele Fossilien ausgestorbener Beuteltierarten in der Antarktis gefunden.«
Er zuckte mit den Schultern. »Also glaubst du …?«
»Ja, natürlich! Schau dir die erste Karte an.« Sie zeigte auf die Verbindung der beiden Kontinente. »Das ist die Landbrücke. Das zweite Bild zeigt das Verschwinden der Brücke. Und die dritte Karte zeigt, wie die Kontinente schließlich isoliert wurden.«
»Aber wie konnten diese Wesen das wissen? Wie konnten sie diese Karten zeichnen?«
Ashley hockte sich auf die Fersen. »Offenbar haben sie es durchlebt. Und Karten davon gezeichnet, so wie die amerikanischen Indianer Karten von ihren Küsten gezeichnet haben. Und durch eine entweder mündliche oder bildliche Überlieferung haben sie diese Geschichte am Leben gehalten.« Sie zeigt auf Australien
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