Sub Terra
rote Nike-Tasche vor seinen Füßen. »Ich zeige es euch.«
Er zog den Reißverschluss auf und wühlte in der Tasche herum. Er hätte jemandem davon erzählen müssen. Bestimmt bekam er jetzt Ärger. Er schob den Tascheninhalt hin und her. Es war schwer zu finden, die Tasche war voller Sportkleidung, einem orangefarbenen Handtuch, Spielkarten, die lose herumflogen, Kleingeld für einen Videospielautomat. Wo war es bloß?
Nach einer vollen Minute war Blakely außer sich und rief: »Schütt alles auf den Boden!« Er versuchte, Jason die Tasche wegzunehmen.
»Warten Sie!« Jason zog seinen Nintendo-Gameboy aus der Tasche. »Der zerbricht sonst.« Er steckte den Gameboy in seine Jackentasche.
Blakely drehte die Tasche auf den Kopf und schüttelte. Jasons Sachen fielen heraus. Alle drei wühlten sich durch seinen Plunder.
Vorsichtig zog er seine Unterwäsche zum Wechseln heraus, damit Linda seine Boxershorts nicht zu sehen bekam. Als er die Wäsche unter dem Handtuch vesteckte, sah er das vertraute graue Material.
Er hob es auf und hielt es Linda hin. »Hier ist es.« Mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen nahm sie das verformte Material und betrachtete seine Handarbeit. »Schönes Flugzeug.«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe gedacht, es wäre so etwas wie harte Play-Doh-Knete.«
Blakely schaute ungläubig zu. »Bist du sicher, dass das der Sprengstoff ist?«
Linda fischte ein Stück zerknittertes Zellophanpapier aus seinen Sachen. »Doch, das ist dasselbe Zellophan, mit dem auch die anderen Würfel verpackt waren.«
Blakely nahm ihr das Flugzeug ab und hielt es, als wäre es das teuerste und zerbrechlichste Kunstwerk der Welt. »Okay, wir haben also Sprengstoff, jedoch nichts, womit wir ihn zünden könnten. Wir brauchen ein Zündhütchen.«
»Was ist das?«, fragte Jason.
Blakely sah ihn nur finster an, doch Linda erklärte es ihm. »Das ist ein kleiner Sprengkörper, der den Brocken in die Luft jagt.«
»Wie ein Feuerwerkskracher?«
»Das würde schon reichen«, antwortete Blakely, »aber wir werden hier unten wohl kaum ein Geschäft finden, das Kracher verkauft.«
Jason stocherte in der Seitentasche seines Sportbeutels und holte die kleine rote Knallerbse hervor, die er dort vor neugierigen Augen verborgen hatte. »Funktioniert das?«
Blakely nickte und grinste. »Ich glaube schon.«
Linda lächelte ebenfalls, drehte sich um und drückte Jason an sich. »Du steckst voller Überraschungen, junger Mann.«
Jason wurde purpurrot. »Erzählt bloß meiner Mutter nichts von der Knallerbse. Sonst bringt sie mich um.«
Khalid ging vor der Gabelung in die Hocke und steckte den Kopf zuerst in den einen Gang, dann in den anderen. Wie ein Hund auf einer Fährte schnüffelte er in beide Richtungen. Im linken Tunnel bemerkte er einen scharfen Geruch, der ihm in die Nase biss. Rauch. Er ging hinein und hielt das brennende Feuerzeug vor sich. Er hatte, um Gas zu sparen, die Flamme auf die geringste Stufe eingestellt, so dass ihm nur ein schwaches Glimmen den Weg wies. Wenn ihm das Butangas ausging, wäre er blind und nicht mehr in der Lage, seinen Auftrag zu erfüllen. Daher musste er die winzige Flamme sehr pfleglich behandeln.
In dieser totalen Finsternis gab sogar das Flämmchen genügend Licht ab, um mehrere Meter weit zu sehen. Er marschierte zügig voran und verschwendete keine Zeit für Ruhepausen. Er konnte nicht sagen, wie weit ihm Linda und die anderen voraus waren. Aber vieles wies darauf hin, dass er auf der richtigen Fährte war: Fußspuren im Lehm, Verpackungsreste eines Nahrungsriegels, und an einer Stelle hatte offenbar jemand Wasser gelassen, denn der Ammoniakgeruch stach ihm in die Nase. Er war ihnen dicht auf den Fersen.
Während er durch die monotonen Gänge eilte, ging er seinen Gedanken nach. Wie von selbst verfolgte sein trainierter Körper die Spur weiter, umging Schlaglöcher, sprang über Felsspalten und kletterte über Hindernisse, die Steinschläge hinterlassen hatten – mit dem einzigen Ziel, die anderen einzuholen.
Linda schubste Jason weiter zurück hinter die Biegung des Tunnels und betete inständig, dass Blakely wusste, was er tat. Es war durchaus möglich, dass das ganze Tunnelsystem über ihnen zusammenbrach. Dennoch war ihr bewusst, dass sie das Risiko in Kauf nehmen mussten. Wenn sie zurückgingen, würde das in einer Katastrophe enden.
»Ich will zusehen«, sagte Jason.
»Nein, mein Süßer. Das ist zu gefährlich. Hier, steck dir die Stöpsel in die Ohren.«
Weitere Kostenlose Bücher