Sub Terra
»Was ist los?«, rief Ben.
Harry antwortete: »Wir haben gleich die Hälfte der Strecke hinter uns gebracht.«
Ben sah auf seine Uhr. Es war eine weitere Stunde vergangen. »Und warum halten wir an?«
»Der Motor muss abkühlen. Er ist glutrot. Mein Baby war ursprünglich nicht zum Ziehen von Lasten gedacht. In gewisser Weise schleppen wir sozusagen mit einem Modellrennwagen einen Umzuganhänger.«
Plötzlich fuhr der Zug aus dem Wurmloch hinaus in eine Höhle, die so groß wie eine Doppelgarage war. An der gegenüberliegenden Wand befand sich die Öffnung eines zweiten Wurmlochs.
»Was ist das?«, fragte Ben und rollte von seinem Schlitten. Er stand auf, gähnte und schüttelte sich den Rucksack von den Schultern.
Harry stand ein paar Schritte entfernt von ihm und drehte den Kopf hin und her. »Mo’amba hatte mir gesagt, dass es auf halber Strecke eine Art Raststätte für Pilger gibt. Ich habe mir gedacht, dass hier ein guter Platz wäre, um sich die Beine zu vertreten, die Blase zu entleeren und den Motor abkühlen zu lassen.«
Nob’cobi und die anderen beiden Krieger waren auch aufgestanden und hatten sich möglichst weit von den Plastikschlitten entfernt. Die drei unterhielten sich lebhaft und machten Handbewegungen zum Fahrzeug hin, die – auch ohne Übersetzung – offensichtlich missbilligend waren.
Ben ging zu Harry. »Was ist mit dem Benzinvorrat?«
»Alles prima, mach dir keine Sorgen.«
»Wie lange dauert es, bis der Motor kalt ist?«
Harry zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Eine halbe Stunde, vielleicht eine ganze.«
Ben nickte, doch er ballte immer wieder die Fäuste. Er ging in dem kleinen Raum auf und ab. Solange sie in Bewegung waren, war alles in Ordnung. Diese Unterbrechung war jedoch qualvoll.
»Entspann dich«, sagte Harry schließlich, »wir liegen gut in der Zeit.«
»Ich weiß, ich weiß.« Ben suchte nach etwas, um sich abzulenken, fand in der eintönigen Höhle jedoch nichts. Er blickte die drei Krieger an. »Wovon reden sie?«
»Sie lästern hauptsächlich.« Harry zog einen Diamantdolch aus einer pelzbesetzten Scheide an seinem Gürtel und reinigte sich die Nägel. »Außerdem erzählen sie sich die alten Sagen über den großen Exodus, als sie ihre alten Siedlungen verlassen mussten und in die jetzige Höhle einzogen.«
»Ja, aber warum mussten sie von dort fliehen?«
»Soweit ich sie verstehe, gab es eine Art Erdbeben, und die Höhle wurde überflutet. Viele starben. Ich glaube, es gibt irgendeinen heiligen Ort, den Nob’cobi aufsuchen will. Er hat etwas gesagt von alten Kriegern, die bei einer flutartigen Überschwemmung umgekommen sind. Ihre Köpfe sind in durchsichtigen Steinen begraben worden. Den Teil verstehe ich nicht.«
»Ich schon.« Ben dachte an die Höhlenperlen mit den Schädeln im Inneren, die sie entdeckt hatten.
Harry schaute ihn an, als wäre er verrückt. »Klar. Auf jeden Fall, nachdem sie die Höhle verlassen hatten, wurde sie von den Cra’kan übernommen. Sie benutzen sie als eine Art Paarungsort. Anscheinend gibt es verschiedene Herden. Und alle zehn Jahre kommen sie in dieser großen Höhle zusammen und veranstalten eine Orgie.«
»Scheint so, als wäre dieses Jahr das zehnte.« Ben stellte sich Herden dieser blutrünstigen Bestien vor, die voller Paarungsbrunst und Aggression ihr Territorium zurückeroberten. Die Alpha-Basis hatte nie eine Chance gehabt.
Harry nickte ernüchtert. »Ich schaue mal nach dem Schlitten.«
Nachdem er zwanzig qualvolle Minuten lang am Motor herumgebastelt hatte, hielt Harry schließlich den Daumen in die Höhe. Nach einigem Hin und Her kletterten die Mimi’swee auf ihre Schlitten, und es ging weiter.
Der Rest der Reise verlief unspektakulär. Keine Verzögerungen, keine Probleme. Dennoch dauerte es ewig. Während der Fahrt schaute Ben bestimmt sechzigmal auf die Uhr.
Schließlich schaltete Harry den Motor aus. »Endstation, Leute.«
Einer der Krieger kletterte über Harry hinweg, um zu der Steintür vor ihnen zu gelangen. Er betätigte einen Mechanismus rechts von der Tür. Sie öffnete sich, und die Reisenden blickten in Ohnas Höhle. Harry folgte dem Krieger hinein und zog die Schlitten hinterher.
Kaum waren sie in der kleinen Höhle, rollte Ben von seinem Schlitten und krabbelte zum Ausgang. Rasch ließ er seinen Blick über die unmittelbare Umgebung schweifen, in der Erwartung, Herden sich paarender Bestien zu erblicken. Jedoch war dort draußen keine Bewegung zu sehen. Nur die Wellen des Sees
Weitere Kostenlose Bücher