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Substance-Die Formel

Substance-Die Formel

Titel: Substance-Die Formel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boyd Morrison
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Temperatur näherte sich den siebenunddreißig Grad. Bevor sie ausstieg, nahm sie noch schnell eine Spange aus dem Handschuhfach und schob sich das Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen.
    Auf dem Weg zum Haupteingang versuchte sie, sich einen Reim auf Kevins Geschichte zu machen. Sie zweifelte nicht an dem, was er sagte, denn während der sechs Monate, die sie ihn kannte, waren sie gute Freunde geworden. Auf Kevin konnte man sich verlassen. Er würde eine solche Geschichte nicht einfach erfinden. Seine Angst war echt.
    Dass er in Schwierigkeiten steckte, war Grund genug für sie, ihm zu helfen. Vielleicht würde seine Masterarbeit ihn darauf bringen, warum es jemand auf sein Leben abgesehen hatte.
    Die Studenten auf dem Campus genossen den ruhigen Tag zu Semesterbeginn. Einige ältere Damen und Herren überquerten den Platz zielstrebig, ohne Zweifel Dozenten, die zu ihren Büros wollten.
    Im schattigen Säulengang, der zum Haupteingang der Bibliothek führte, nahm Erica ihre Sonnenbrille ab. Sie würde zuallererst an einem Katalogterminal feststellen, ob Kevins Arbeit entliehen war.
    Von der anderen Seite des großen Innenhofes her beobachtete Vernon Francowiak sie, ein gebräunter, blonder junger Mann im grauen Anzug. Vor einer halben Stunde war auf seinem Handy ein Bild von Erica Jensen eingegangen. Sein Boss Stan beobachtete das Institutsgebäude, wo Hamilton und Ward ihre Versuche gemacht hatten, und ein dritter Mann behielt die Polizeidienststelle auf dem Campus im Auge. Franco war für den großen Innenhof zuständig.
    Die Frau, die soeben in die Bibliothek gegangen war, passte auf die Beschreibung, die man ihm geschickt hatte. Pech, dass er zu weit entfernt gewesen war, um sie zu identifizieren. Es wäre eine gute Gelegenheit gewesen, ein paar Punkte bei Lobec zu machen, denn der fand bei Tarnwell immer ein offenes Ohr. Vernon Francowiak trat in den Schatten des Physikgebäudes und öffnete sein Handy.
    Nach einem kurzem Klingeln hörte er: »Hier Wilson. Was gibt’s?«
    »Hier Franco. Ich habe vielleicht die Frau gesehen.«
    »Wo?«
    »Sie ist gerade in die Bibliothek.«
    »Wann?«
    »Vor zehn Sekunden. Soll ich folgen?«
    »Nein, die Bibliothek ist zu groß. Sie hat zu viel Vorsprung. Sie könnte wieder herauskommen, bevor du sie gefunden hast.«
    »Aber so lang ist …«
    »Ich habe nein gesagt.«
    Franco fluchte lautlos. Er war scharf darauf, sich zu bewähren.
    »Wie sicher bist du dir, dass sie es ist?«
    »Ich war rund hundert Meter weit entfernt. Nur eine Möglichkeit.«
    Nach einer kurzen Pause fuhr Wilson fort: »Die Bibliothek hat nur einen Eingang. Warte davor. Wenn sie es ist, schick mir eine SMS.«
    »Und dann?«
    »Bleib ihr auf den Fersen, bis ich zu dir stoße. Den Rest erledigen wir gemeinsam.« Vernon Francowiak wusste, was das hieß. Wilson wollte die Lorbeeren für sich allein beanspruchen.
    »Sie ist nur eine Frau. Die schaff ich allein.«
    Wilsons Stimme wurde hart. »Das war ein Befehl. Kapiert?«
    Franco antwortete mit zusammengebissenen Zähnen: »Ja, Sir.«
    Er legte auf und schob die gefälschte Polizeidienstmarke in seine Hemdtasche. Auf dem Weg zum Bibliothekseingang löste er die Sicherung an seinem Schulterhalfter. Er dachte nicht daran, Wilson die Lorbeeren ernten zu lassen.
    Das Informationszentrum lag im warmen Licht. Der einsame Angestellte hob den Blick, las aber gleich weiter in seinem Taschenbuch, als Erica auf das nächstgelegene Terminal an der Wand zusteuerte. Stehend tippte sie Kevins Namen ein. Eine Sekunde später hatte sie den Titel seiner Masterarbeit: Über die dynamischen und katalytischen Eigenschaften von Metallkomposit- und Kohlenstoff-Nanoteilchen, Nummer LD5655.V856. Sie würde sie aus dem Kellergeschoss holen müssen.
    Bibliotheken fand sie immer etwas unheimlich, und diese war noch schlimmer als alle anderen, die sie kannte. Die hohen Regale verdeckten teilweise die Lampen, die ohnehin nicht besonders hell waren. Einige flackerten, andere waren ganz defekt, und bis auf ihre Schritte auf dem Linoleum herrschte Totenstille. Sie hatte das Gefühl, in eine Katakombe eingedrungen zu sein, der erste Mensch zu sein, der seit tausend Jahren diesen Ort betrat.
    Ich wette, im vergangenen Vierteljahr waren hier keine zwei Leute, mich eingeschlossen, dachte sie, als sie die Regale umrundete.
    Sie fuhr mit dem Finger über die beiden ersten Buchstaben der Signaturen auf den Einbänden. KS. KT. L. LD. Immer wieder vergewisserte sie sich, bis sie endlich die gesuchte

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