Succubus Blues - Komm ihr nicht zu nah
dazwischengehen, damit ich rein und unberührt bleibe. Wenn du mich nicht haben kannst, soll niemand mich haben, ja, geht’s darum?«
Doug wurde blass, und ein paar Vorüberkommende starrten uns an. »Meine Güte, Georgina, nein …«
»Du bist so ein verdammter Scheinheiliger!«, schrie ich ihn an. »Du hast kein Recht, mir zu sagen, was ich tun soll! Kein verdammtes Recht!«
»Tu ich nicht, ich …«
Ich hörte nicht mehr weiter zu, was er noch zu sagen hatte, sondern drehte mich um und stürmte in die Damentoilette, den einzigen Ort, an dem ich diesen Männern entkommen konnte. Nachdem ich fertig war und mir die Hände gewaschen hatte, schaute ich in den Spiegel. Wirkte ich betrunken? Meine Wangen waren rosig gefärbt, einige Wellen in meinem Haar waren ein wenig schlaffer als zu Anfang des Abends. Und ich schwitzte. Nicht allzu betrunken, entschied ich. Es könnte viel, viel schlimmer sein.
Ich zögerte, die Toilette zu verlassen, weil ich befürchtete, dass Doug auf mich wartete. Ich wollte nicht mit ihm reden. Eine weitere Frau kam mit brennender Zigarette herein. Ich schnorrte mir eine von ihr und rauchte sie ganz auf, während ich in einer Ecke hockte, um die Zeit totzuschlagen. Als ich die Band wieder hörte, wusste ich, dass ich wieder in Sicherheit war.
Ich verließ die Toilette und lief direkt in Roman hinein.
»Bist du in Ordnung?«, fragte er und hielt mich mit den Händen um die Hüfte fest, damit ich nicht hinfiel. »Ich habe mir Sorgen gemacht, als du nicht zurückgekommen bist.«
»Ja … mir geht’s gut … äh, nein, ich weiß nicht«, gab ich zu, schmiegte mich an ihn und schlang die Arme um ihn. »Ich weiß nicht, was los ist. Ich fühle mich so seltsam.«
»Ist schon gut«, sagte er und klopfte mir auf den Rücken. »Alles wird gut. Musst du gehen? Kann ich irgendwas für dich tun?«
»Ich … weiß nicht …« Ich zog mich ein wenig von ihm zurück und sah in seine Augen. In diesen blaugrünen Tiefen musste ich ertrinken, und plötzlich machte es mir nichts aus.
Ich weiß nicht, wer von uns angefangen hatte – es hätte jeder von uns beiden sein können –, aber plötzlich küssten wir uns, da, mitten auf dem Gang, zogen einander näher, und Lippen und Zungen waren wie wild am Werk. Der Alkohol verstärkte meine körperliche Reaktion, betäubte jedoch mein Bewusstsein, dass ich als Sukkubus-Energie absorbierte. Dennoch musste die Absorption funktioniert haben, denn Roman riss sich abrupt und mit verblüfftem Gesichtsausdruck von mir los.
»Unheimlich …« Er legte sich eine Hand an die Stirn. »Mir ist plötzlich … so benommen zumute.« Er zögerte einen Augenblick, schüttelte das Gefühl ab und zog mich wieder zu sich. Genau wie alle anderen. Sie begriffen nie, dass ich es war, die ihnen das antat, die ihnen wehtat, daher wollten sie immer noch mehr.
Die Unterbrechung war das gewesen, was ich benötigt hatte, um in meinem Nebel aus Trunkenheit wieder ein winziges Gefühl von Klarheit zu erlangen. Was hatte ich getan? Wozu hatte ich mich heute Abend gemacht? Jeder Austausch mit Roman hatte mich über eine weitere Grenze geschoben. Zuerst hatte ich gesagt, wir würden nicht miteinander ausgehen. Dann hatte ich mich mit eingeschränkten Rendezvous einverstanden erklärt. Heute Abend hatte ich geschworen, ich würde nichts trinken, und jetzt konnte ich von dem ganzen Zeug kaum noch gerade auf den Beinen stehen. Küssen war ein weiteres Tabu, das ich gerade gebrochen hatte. Und es würde bloß zum Unausweichlichen führen …
Vor dem geistigen Auge sah ich uns nach dem Sex. Roman würde bleich und erschossen daliegen, entleert vom Leben. Diese Energie würde wie elektrischer Strom in mir knistern, und er würde mich anstarren, schwach und verwirrt, außerstande zu verstehen, was er nicht mehr hatte. Je nachdem, wie viel ich ihm gestohlen hatte, hätte er Jahre seines Lebens verloren. Ich hatte sogar von einem schludrigen Sukkubus gehört, der seine Opfer umgebracht hatte, weil er zu rasch zu viel Lebensenergie getrunken hatte.
»Nein … nein … nicht.«
Ich schob ihn weg, da ich nicht wollte, dass diese Zukunft in Erfüllung ginge, aber sein Arm hielt mich nach wie vor fest. Als ich an ihm vorbeisah, erhaschte ich plötzlich einen Blick auf Seth, der den Flur herabkam. Bei unserem Anblick erstarrte er, aber ich war zu beschäftigt, um dem Schriftsteller groß Beachtung zu schenken.
Wiederum war ich um Haaresbreite davon entfernt, Roman zu küssen, ihn irgendwohin
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