Succubus Dreams
schwang es und hieb auf Joel ein. Die Klinge traf ihn und er kreischte.
Ein schreckliches Brennen durchflutete mich. Hastig bedeckte ich die Augen und sah weg, da ich begriff, was ich fast getan hätte. Die wahre Gestalt eines Engels war etwas Unbeschreibliches und verlangte Sinne, über die ein Mensch – oder ein Sukkubus, der einmal ein Mensch gewesen war – nicht verfügte. Sie anzuschauen würde mich schwer verletzen. Selbst in einem Zimmer mit ihr zu sein schmerzte.
Aber ich hatte das Nötige gesehen, bevor ich den Blick abwandte. Ich hatte das Schwert fallen sehen. Yasmine hatte Joel angegriffen. Nyx hatte sie als die Schwächste der Vier ausgemacht, aber Yasmine und Joel mussten sich im Hinblick auf Macht unglaublich ähnlich gewesen sein. Der überraschende Angriff hatte das Gleichgewicht jedoch zu ihren Gunsten verschoben.
Die Luft im Zimmer wirbelte umher und erreichte Orkanstärke. Energie explodierte überall, wie bei einer Sonne, die zur Supernova wurde. Alles war Feuer und Wind. Und Gekreisch. Doppeltes Gekreisch: Yasmine und Joel. Ich schlang die Arme um mich, verbarg das Gesicht und war mir sicher, dass ich sterben würde. Die Energie, die auf mich einstürmte, erreichte einen Punkt, da sie sicher das Gebäude in die Luft jagen würde, die ganze Welt. Stärker und immer stärker wurde sie.
Plötzlich kehrte sich alles um. Energie jagte von meiner Seite des Zimmers zurück, zurück zu den Engeln. Es war, als hätte sich ein schwarzes Loch gebildet, das alles in sich einsaugte. Natürlich zerrte es bloß Energie zu sich, keine physikalischen Körper, aber ich hatte dennoch das Gefühl, als würde es mich gleichfalls in sich hineinziehen. Ich umklammerte die Steppdecke des Betts, benutzte sie wie einen Anker, der mich unten hielt. Die Zeit hatte keine Bedeutung mehr. Zehn Sekunden oder zehn Stunden hätten vergangen sein können.
Schließlich hörte das Brausen auf und alles wurde still. Die Atmosphäre war wieder normal. Keine wahnwitzigen Energieballungen mehr. Nur noch das, was man normalerweise in einem Zimmer mit drei Engeln, einem Nephilim, einem Sukkubus und einem vorweltlichen Wesen des Chaos erwarten würde. Letzteres war auf einmal völlig ins Hintertreffen geraten.
Yasmine war in ihre ‹menschliche› Gestalt zurückgekehrt. Ich befand mich in Sicherheit. Ich sah auf und erwartete, dass Carter und Whitney über sie herfallen würden. Aber sie standen wie erstarrt da. Keine Spur mehr von Joel. Er war verschwunden, vernichtet. Der Taifun aus Energie hatte seinen Tod bedeutet.
Yasmine lag auf den Knien und krallte die Finger in ihr Gesicht. Sie schluchzte und murmelte Worte, die sich wie verzweifelte Gebete anhörten. Vincent hielt wie die Engel Distanz zu ihr. Sie hatte gerade Joel getötet. Ich begriff nicht, warum niemand etwas unternahm. Warum standen sie einfach nur da? Alle schienen auf etwas zu warten.
Plötzlich zischte eine Stimme neben mir, mehr im Kopf als laut ausgesprochen:
«Sukkubus!»
Ich sah in die tief in ihren Höhlen liegenden Augen von Nyx. Wie Vincent und die Engel hatte ich sie völlig vergessen. Sie streckte mir die Hand entgegen und ich fuhr zurück. Zum Glück hinderten sie die unsichtbaren Bande daran, mir noch näher zu kommen.
«Sukkubus!», wiederholte sie. «Berühre die Wände. Nutze deine letzte Energie, um mich zu befreien.»
«Was? Nein!» Meine Aufmerksamkeit war jetzt zwischen ihr und den anderen geteilt. Die Gruppe der Engel stand nach wie vor reglos da.
«Befreie mich, und ich helfe dir, deine Rache auszuüben.»
«Rache? Von wem redest du da?»
«Von demjenigen, der mich zu dir geschickt hat, nachdem ich entkommen war», krächzte sie. «Von demjenigen, der dich mir versprochen hat.»
Ich hatte keine Ahnung, was sie meinte.
«Wie… wer hat dich denn befreit?»
Sie warf voller Unbehagen einen Blick hinter sich. Die Zeit der Ablenkung wäre bald vorüber.
«Nein, du warst mir versprochen! Aber ich kann dir helfen. Dir helfen, ihn zu bestrafen…»
«Nein», sagte ich. Sie war zu gefährlich. Von welcher wahnwitzigen Rache sie auch sprechen mochte – in Anbetracht dessen, was sie Sterblichen antun könnte, wenn sie befreit war, durfte ich sie nicht ausüben.
Nyx wurde immer verzweifelter. Die Engel würden sich ihrer schließlich wieder erinnern, und das wussten wir beide.
«Ich werde dir das Ende des Traums zeigen!», schrie sie. «Ich werde dir den Mann zeigen! Den Mann im Traum.»
Mir blieb das Herz stehen.
«Er ist nicht
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