Succubus on Top
höhnisch gegrinst.»
«Nein, hat er nicht.»
«Hat er wohl. Ich schwör’s.»
Als ich die Treppe hinunter in den Hauptteil des Geschäfts ging, kam ich an Warren vorüber. Mit dem Inhaber, Mitte fünfzig, verblüffend gutaussehend, moralisch fragwürdiger Lebenswandel, hatte ich es einmal regelmäßig getrieben, bevor ich Jerome versprochen hatte, wieder gute Männer zu verführen. Warren und ich hatten seit einiger Zeit keinen Sex mehr gehabt. In Anbetracht meiner großen Anzahl frommer Seelen vermisste ich den gelegentlichen Fick ohne Schuldgefühle.
«Hallo, Georgina.» Ich war erleichtert, dass zumindest er mich nicht mit offenem Mund ansah. «Hast oben mit Mortensen geplaudert, nehme ich an?»
«Ja», bestätigte ich und fragte mich, ob ich einen Rüffel erhielte, weil ich nicht schnurstracks an die Arbeit zurückgekehrt war.
«Schade, dass du die Treppe nehmen musstest. Wir haben einen Aufzug, weißt du.»
Jetzt starrte ich ihn mit offenem Mund an. Natürlich hatten wir einen Aufzug. Er funktionierte mit einem Schlüssel, war für behinderte Kunden sowie Transporte von Lieferungen gedacht und wurde ansonsten kaum benutzt. «Ja. Das weiß ich.»
Warren blinzelte mir zu und fuhr auf seinem Weg nach oben fort: «Wollte bloß darauf hinweisen.»
Kopfschüttelnd kehrte ich in den Hauptverkaufsraum zurück und übernahm eine Kasse, sodass Andy in die Mittagspause gehen konnte. Janice und Casey blieben mir gegenüber zunächst reserviert, tauten jedoch im Lauf der Zeit etwas auf. Andere Mitarbeiter, die kamen und gingen, warfen mir nach wie vor fragende Blicke zu und flüsterten gelegentlich miteinander, wenn sie glaubten, ich würde es nicht bemerken.
Als dann Seth vorbeischaute und mir sagte, dass er einiges zu erledigen hätte, sich jedoch später mit mir treffen wollte, ließ Beth das Buch fallen, das sie in der Hand hielt, und ich glaubte schon, sie würde einen Ohnmachtsanfall bekommen.
«Na gut», rief ich aus, sobald Seth verschwunden war. «Was geht hier eigentlich vor?»
Casey, Beth und Janice stellten sich dumm.
«Nichts, Georgina, ehrlich.» Beth schenkte mir etwas, das wohl ein gewinnendes Lächeln sein sollte. Die anderen schwiegen weiterhin, der Gesichtsausdruck völlig unschuldig, beinahe engelhaft.
Natürlich kaufte ich ihnen das nicht ab, ganz und gar nicht. Etwas Unheimliches war da im Gange. Unheimlicher als gewöhnlich. Ich benötigte Antworten, und es gab im ganzen Laden nur eine Person, die aufrichtig genug wäre, sie mir zu geben. Ich schloss meine Kasse und stürmte zurück in mein Büro, wo Doug saß, völlig vereinnahmt vom Computer.
Ich platzte herein und öffnete den Mund, bereit zu wüten und zu toben. Bei meinem plötzlichen Erscheinen sprang er fast an die Decke. Seine Reflexe funktionierten jedoch überraschend gut, sodass er keinen Kaffee aus dem Becher verschüttete, den er gerade an die Lippen gehoben hatte. Auf seinem Gesicht lag ein komischer Ausdruck, fast wie ein Schuldgefühl. Zweifellos lief gerade wieder mal ein Spiel Tetris.
Aber nicht das brachte meine Tirade zum Verstummen. Ein merkwürdiges Gefühl kroch mir über die Haut – ein Gefühl, das meine unsterblichen Sinne berührte und nicht die üblichen fünf eines menschlichen Körpers. Es war ein unheimliches Gefühl, fast unangenehm. Wie Fingernägel, die über eine Schiefertafel kratzten. Ich sah mich im Raum um und erwartete fast, dass irgendwo ein anderer Unsterblicher lauerte, obwohl mich dieses merkwürdige Gefühl nicht ganz so berührte wie die übliche Signatur, die ich normalerweise bei einem Individuum spürte.
Doug trank aus dem Becher und setzte ihn dann nieder, wobei er mich mit amüsierter Ruhe beobachtete. «Kann ich dir bei irgendwas helfen, Kincaid?»
Verblüfft sah ich mich ein weiteres Mal im Büro um und schüttelte den Kopf. Das Gefühl verschwand. Was soll’s also, zum Teufel? Ich hätte es auf eine vom Stress herbeigeführte Einbildung schieben können, aber nach über einem Jahrtausend als Sukkubus bezweifelte ich, dass meine unsterblichen Sinne jetzt noch Opfer einer Halluzination werden könnten. Und zudem war hier drin das Einzige, was man möglicherweise als übernatürlich oder göttlich betrachten konnte, Dougs Meisterschaft in Tetris. Das, dachte ich sarkastisch, hatte jedoch mehr mit stundenlangem Drücken vor der Arbeit zu tun als mit irgendwelcher Magie.
Bei der Erinnerung an meinen gerechten Zorn schob ich das kurzzeitige, unheimliche Gefühl beiseite und richtete
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